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Wichtig für Eltern zu wissen, deren Kind am 01.03.2020 bereits in einer Kita war und in eine andere Kita wechseln möchte

Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Magdeburg hat mit Beschluss vom 30.07.2020 – 6 B 251/20 MD – entschieden, dass ein Wechsel der Kindertagesstätte (Kita) die Nachweispflicht 

  • eines ausreichenden Impfschutzes gegen Masern oder 
  • einer Immunität gegen Masern 

vor Beginn der Betreuung (vgl. § 20 Abs. 8, Abs. 9 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG))

  • in der neuen Einrichtung 

auch dann auslöst, wenn das Kind 

  • am 01.03.2020 (Tag des Inkrafttretens des „Masernschutzgesetzes“) bereits in einer anderen Einrichtung betreut wurde

und dass 

  • ohne diesen Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IFSG 

kein Anspruch auf die Unterbringung in der neuen Kindertageseinrichtung besteht.

Danach gilt § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG, der bestimmt, dass der Nachweis eines ausreichenden Impfschutzes gegen Masern oder einer Immunität gegen Masern 

  • vor Beginn der Betreuung 

vorzulegen ist, nicht nur 

  • für die erste, 

sondern auch 

  • für jede folgende 

Betreuungseinrichtung und ist 

  • bei einem Kitawechsel nach dem 01.03.2020 

eine Berufung auf § 20 Abs. 10 IfSG,

  • der vorsieht, dass Kinder, die am 01.03.2020 (bereits) in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut werden, den Nachweis (erst) bis zum Ablauf des 31.07.2021 vorzulegen haben,   

nicht möglich.

Denn, so die Kammer, § 20 Abs. 10 IfSG solle lediglich sicherstellen, dass auch 

  • bereits bei Inkrafttreten des „Masernschutzgesetzes“ am 01.03.2020 in einer Gemeinschaftseinrichtung betreute

Kinder,

  • die somit von der Pflicht nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG, vor Beginn der Betreuung einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder eine Immunität gegen Masern nachzuweisen, ohne einen nachfolgenden Wechsel der Betreuungseinrichtung, nicht erfasst sind,

einen entsprechenden Nachweis erbringen (Quelle: Pressemitteilung des VG Magdeburg).

Wichtig zu wissen für gesetzlich krankenversicherte Schwangere sowie Mütter nach einer Entbindung, wenn sie

…. eine Haushaltshilfe benötigen.  

Nach § 24h Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben gesetzlich krankenversicherte Schwangere und Mütter Anspruch auf Haushaltshilfe, soweit ihnen 

  • wegen Schwangerschaft oder Entbindung die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist und 
  • eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann.

Voraussetzung für diesen Anspruch ist nach Auffassung des Sozialgerichts (SG) Stuttgart allerdings das Vorliegen eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen

  • Schwangerschaft bzw. Entbindung und 
  • Unmöglichkeit der Weiterführung des Haushalts,

d.h., der Umstand, 

  • den Haushalt wegen der Schwangerschaft oder nach der Entbindung nicht führen zu können, 

muss 

  • „unmittelbare Schwangerschafts- bzw. Entbindungsfolge“, also gesundheitliche Folge 

sein.

Ist dagegen eine nach der Geburt eingetretene 

  • erschwerte Betreuungssituation 

die Ursache dafür, den Haushalt nicht mehr führen zu können, wie in dem vom SG Stuttgart mit Urteil vom 04.05.2020 – S 18 KR 4504/17 – entschiedenen Fall, 

  • in dem eine Mutter nach einer Zwillingsgeburt im Januar 2020 im April 2020 aufgrund eines inzwischen diagnostizierten schweren Erschöpfungszustandes die Gewährung einer Haushaltshilfe beantragt hatte,

soll kein Anspruch nach § 24h SGB V bestehen (Quelle: Pressemitteilung des SG Stuttgart).   

Was, wenn für einen Volljährigen vom Gericht ein Berufsbetreuer bestellt werden muss, der Betroffene sowie dessen Angehörige

…. über die Verpflichtung zur Zahlung der Betreuervergütung wissen sollten.

Muss nach § 1896 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vom Betreuungsgericht für einen Volljährigen, weil 

  • er auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht (mehr) besorgen kann und
  • er keine Vorsorgevollmacht erteilt hat,

ein Betreuer bestellt werden, hat der gerichtlich bestellte Betreuer,

  • wenn er die Betreuung berufsmäßig führt,

Anspruch auf Vergütung seiner Amtsführung gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB iVm § 1 Abs. 2 Satz 1 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG).  

  • Schuldner dieses Vergütungsanspruchs ist grundsätzlich der Betreute. 

Ist der Betreute mittellos, ist die vom Gericht zu bewilligende Vergütung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG aus der Staatskasse zu zahlen, wobei allerdings dann,

  • mit der Leistungserbringung durch die Staatskasse

die Vergütungsansprüche 

  • gemäß § 1836 e Abs. 1 Satz 1 BGB 

auf die Staatskasse übergehen und von dieser im Wege des Regresses gegen den Betreuten geltend gemacht werden können. 

  • Der Betreute ist damit grundsätzlich zur Rückzahlung der Betreuervergütung verpflichtet. 

Ob und inwieweit die Staatskasse ihn aus der übergegangenen Forderung in Anspruch nehmen kann, hängt davon ab, ob der Betreute leistungsfähig oder mittellos ist. 

  • Ein zur Zeit der Betreuertätigkeit mittelloser Betreuter muss – vorbehaltlich eingetretener Verjährung – auch etwaige später verfügbare Mittel für die Kosten der Betreuung einsetzen.

Als mittellos gilt ein Betreuter nach §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 d Nr. 1 BGB dann, wenn er die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen 

  • nicht, 
  • nur zum Teil oder 
  • nur in Raten 

aufbringen kann. 

  • Eine Inanspruchnahme des Betreuten ist dabei auf die gemäß § 1836 c BGB einzusetzenden Mittel begrenzt. 
  • Sein Vermögen hat ein Betreuter gemäß § 1836 c Nr. 2 BGB nach Maßgabe des § 90 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) für die Betreuervergütung aufzubringen, wobei ihm 
    • derzeit gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII iVm § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII ein Schonbetrag in Höhe von 5.000 € zusteht und
    • somit nur das diesen Betrag übersteigende Vermögen einzusetzen ist. 

Da § 60 a SGB XII auf die Ermittlung des für die Betreuervergütung einzusetzenden Vermögens keinen Einfluss hat, ist dem Betroffenen kein zusätzlicher Freibetrag von weiteren 25.000 € zuzubilligen (Bundesgerichtshofs (BGH), Beschluss vom 11.09.2019 – XII ZB 42/19 –).  

Hinweis:
Infos über die 

  • Vorsorgevollmacht, 

die die Bestellung eines Betreuers durch das Gericht entbehrlich machen kann sowie über die 

  • Patientenverfügung, 

mit der man für den Fall, dass man nicht mehr entscheidungsfähig sein sollte, u.a. auch bestimmen kann, wann welche lebenserhaltenden Maßnahmen nicht (mehr) ergriffen oder (bereits eingeleitete) lebenserhaltende Maßnahmen abgebrochen werden sollen, 

finden Sie 

  • in unserem gleichnamigen Blog hier.

Was, wer gemeinsam mit anderen Nordic Walken betreibt, wissen und beim gemeinsamen Nordic Walken beachten sollte

Mit Urteil vom 30.07.2020 – 6 U 46/18 – hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) entschieden, dass, wenn 

  • bei einer gemeinsam unternommenen Nordic Walking Tour 

ein Teilnehmer mit seinen Walkingstöcken den Sturz eines anderen Teilnehmers dadurch verursacht, 

  • dass er versehentlich gegen einer seiner Walkingstöcke tritt und der Stock infolge dessen zwischen die Beine des anderen gerät, 

er

  • für die Sturzfolgen haftet, 
  • ohne sich auf einen Haftungsausschluss berufen zu können.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • es sich beim Nordic Walking um ein schnelles Gehen handelt, bei dem die dazu benutzten Stöcke jeweils hinter dem bewegten Bein gehalten werden,
  • bei Einhaltung dieser Regel der Gehende nicht versehentlich gegen den eigenen Stock treten kann und  
  • wenn der Stock dennoch vor die Beine gerät, 

der Stock von dem Walkenden durch Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt nicht richtig eingesetzt und dadurch der Sturz des anderen verursacht worden ist.

Dass der Verursacher des Sturzes sich nicht auf einen Haftungsausschluss berufen kann, 

  • wie er wegen der bewussten Inkaufnahme des Verletzungsrisikos bei der gemeinsamen Ausübung von Sportarten gilt, bei denen die Teilnehmer damit rechnen, dass es zu gegenseitigen Verletzungen kommen kann, 

ist vom Senat damit begründet worden, dass

  • bei der Verabredung zum Nordic Walking die Teilnehmer nicht damit rechnen, beim gemeinsamen Nordic Walken verletzt werden zu können,
  • eine solche Gefahr sich auch nicht aus der zum Nordic Walking gehörenden Benutzung der Stöcke ergebe, da diese nur unterstützend zum Gehen und eng am Körper eingesetzt werden und
  • die Situation beim gemeinsamen Nordic Walking auch eine andere ist, als bei Sportarten, bei denen sich, wie etwa beim Fußball, die Gefahr des Körperkontakts nicht vermeiden lässt (Quelle: Pressemitteilung des OLG Schleswig).

OLG Köln verurteilt Fahrgast eines Taxis, der beim Öffnen der Fahrzeugtür zum Aussteigen einen Unfall verursacht hat, zum

…. Schadensersatz in vollem Umfang.

Mit Urteil vom 07.11.2019 – 15 U 113/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln in einem Fall, in dem von einem Fahrgast eines Taxis, 

  • nach dem Halt des Taxifahrers am linken Fahrbahnrand in einer Einbahnstraße, 

die rechte hintere Fahrzeugtür zum Aussteigen geöffnet und es dadurch zur Kollision mit einem anderen Fahrzeug 

  • sowie einem Schaden in Höhe von 10.128,96 Euro 

gekommen war, entschieden, dass der Taxifahrgast für den Schaden 

  • in vollem Umfang 

haftet.  

Begründet hat das OLG dies damit, dass, wer ein- oder aussteigt,

  • sich nach § 14 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist,
  • diese Sorgfaltsanforderung für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs gilt, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei 
    • der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre, 
    • der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist.

und gegenüber der von dem Fahrgast 

  • im Hinblick auf das Verkehrsgeschehen 

an den Tag gelegten schwerwiegenden Unaufmerksamkeit beim Aussteigen, 

  • ohne zunächst die Fahrzeugtür vorsichtig nur einen Spalt zu öffnen und einen Blick nach hinten auf den rückwärtigen Verkehr zu werfen, 

ein zu berücksichtigendes schuldhaftes Verhalten des Taxifahrers nicht ersichtlich ist,

  • zumal § 12 Abs. 4 S. 4 StVO in Einbahnstraßen das Halten am linken Straßenrand erlaubt. 

Ausdrücklich hingewiesen hat das OLG darauf, dass Taxifahrer,

  • sofern im Einzelfall keine besonderen Umstände vorliegen, 

grundsätzlich

  • nicht verpflichtet sind 

erwachsene Fahrgäste vor dem Aussteigen zur Vorsicht zu ermahnen, sondern 

  • Erwachsene in erster Linie allein für ihr Verhalten im Straßenverkehr verantwortlich sind.

Übrigens:
Hingewiesen wird auch auf unseren Blog

Was, wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließt oder abgeschlossen hat, wissen sollte

Enthält die abgeschlossene Berufsunfähigkeitsversicherung die Bedingung, dass die Versicherung nur dann zahlen muss, wenn feststeht, dass 

  • der Versicherte seinen Beruf auf Dauer nicht mehr ausüben kann und 
  • auch nicht zu einer anderen Tätigkeit in der Lage ist, die 
    • der Ausbildung, 
    • den Fähigkeiten und 
    • der bisherigen Lebensstellung des Versicherten entspricht und 
  • er eine solche Tätigkeit auch tatsächlich nicht ausübt,

sind, 

  • wenn ein Versicherter nicht mehr in seinem bisherigen Beruf arbeiten kann und 
  • in einen anderen Beruf umschult, 

bei Ausübung des neuen Berufs 

  • mögliche Chancen und Erwartungen auf einen beruflichen Aufstieg im alten Beruf 

nicht durch die Versicherung abgesichert.

Darauf hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg hingewiesen und mit Urteilen vom 11.05.2020 – 1 U 14/20, 1 U 15/20 – in zwei Fällen, in denen, in dem einen Fall, 

  • ein ehemaliger Heizungsmonteur, der nach einem Unfall nicht mehr als Heizungsmonteur tätig sein konnte und zum technischen Zeichner umgeschult hatte

sowie in dem weiteren Fall,

  • ein ehemaliger Estrichleger, der, nachdem er nicht mehr als Estrichleger tätig sein konnte, eine Umschulung zum Großhandelskaufmann gemacht hatte und jetzt als kaufmännischer Angestellter arbeitete, 

jeweils von ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung, 

  • die die Leistungen eingestellt hatte, 

mit der Begründung, dass

  • sie zwar in den neuen Berufen so viel bzw. etwa so viel wie zuvor verdienten, die früher ausgeübten Handwerksberufe aber ein höheres Sozialprestige gehabt hätten,
  • darüber hinaus, 
    • sie aufgrund der positiven Entwicklung des Gehaltniveaus im Handwerk seit ihrem Unfall, in ihren alten Berufen mittlerweile viel mehr hätten verdienen können als jetzt in den neuen Berufen bzw. 
    • sie später einen Meistertitel erwerben und ein Firmenfahrzeug erhalten hätten, 

weiter Leistungen begehrten, entschieden, dass 

  • die Versicherung in den beiden Fällen berechtig war, die Leistungen einzustellen.

Denn, so der Senat, dass das Handwerk 

  • ein höheres Sozialprestige habe als die jetzt von den Versicherten ausgeübten Berufe 

sei durch nichts belegt und 

  • da es auf die Lebensstellung eines Versicherten bei Eintritt des Versicherungsfalles ankomme,

sei nicht relevant, ob nach Eintritt des Versicherungsfalles

  • sich die Gehälter im Handwerk verbessert haben und der Versicherte eine positive Lohnentwicklung im alten Beruf mitgemacht hätte oder 
  • ein Versicherter mit einem Aufstieg im alten Beruf rechnen konnte (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg).

Dieselgate: Wichtig zu wissen für Fahrzeugkäufer, die ihre Schadensersatzansprüche an die Financialright GmbH abgetreten haben

Mit Urteil vom 07.08.2020 hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Ingolstadt die Klage der Financialright GmbH abgewiesen, mit der diese 

  • als Inkassodienstleisterin aus abgetretenem Recht 

Schadensersatzansprüche 

  • von über 2.800 Fahrzeugkäufern 

gegenüber der Audi AG und der Volkswagen AG in Höhe von insgesamt über 77 Millionen Euro geltend gemacht hatte.

Die Kammer erachtete die Abtretungsvereinbarungen zwischen der Financialright GmbH und den Fahrzeugkäufern, 

  • mit denen sich die Financialright GmbH gegen Übernahme der Prozesskosten und -risiken sowie einer Vergütung über Erfolgsbeteiligung die Schadensersatzansprüche von Fahrzeugkäufern gegen die Audi AG und die Volkswagen AG hatte abtreten lassen, 

für nichtig und somit die Financialright GmbH für nicht berechtigt, die Ansprüche der Fahrzeugkäufer geltend zu machen.

Dass die einzelnen Abtretungsvereinbarungen nichtig sind, begründete die Kammer damit, dass die Abtretungsvereinbarungen die vertragliche Regelung enthielt, dass, 

  • falls der Fahrzeugkäufer einen von der Financialright GmbH mit der Audi AG bzw. der Volkswagen AG geschlossenen Vergleich widerrufen sollte,  

die gesamte Rechtsverfolgung für den Fahrzeugkäufer nicht mehr kostenfrei sein sollte und darin,

  • aufgrund des hieraus resultierenden unzulässigen wirtschaftlichen Drucks für den jeweiligen Käufer, als auch des Interessenskonflikts zwischen dem Käufer und der Financialright GmbH 

eine unzumutbare, 

  • zur Nichtigkeit der Abtretungsvereinbarung führende

Benachteiligung des Käufers liege (Quelle: Pressemitteilung des LG Ingolstadt).

Was Eltern eines behinderten Kindes, die ein Testament errichten wollen, wissen sollten

Eltern eines behinderten Kindes können mit einem 

  • sog. Behindertentestament 

die Nachlassverteilung durch 

  • eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie 
  • einer mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen Dauertestamentsvollstreckung 

so gestalten, dass das Kind 

  • zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, 
  • die Sozialhilfeträger auf dieses aber nicht zurückgreifen können, 
    • weil ein der dauerhaften Testamentsvollstreckung unterliegender Nachlass kein verwertbares Vermögen i.S.v. § 90 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) ist.

Ein solches Testament ist, 

  • auch wenn die Eltern sehr vermögend sind,

nicht sittenwidrig, sondern 

Durch die angeordnete (Dauer)Testamentsvollstreckung wird dabei die Verfügungsbefugnis des behinderten Kindes gemäß § 2211 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eingeschränkt. 

  • Demgemäß können sich Gläubiger des Erben, die nicht zu den Nachlassgläubigern gehören, nicht an die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände halten, § 2214 BGB. 

In den Verwaltungsanweisungen kann der Erblasser bestimmen, 

  • für welche Zwecke (etwa als Taschengeld, für Urlaubsreisen, Besuche von Verwandten, Ausflüge usw.) 
  • welche Mittel (in welcher Höhe beispielsweise pro Jahr)

dem behinderten Kind aus seinem Erbteil vom Testamentsvollstrecker zur Verfügung gestellt werden soll (dazu, dass die einem in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe Untergebrachten testamentarisch zugewiesenen Mittel aus einem sogenannten Behindertentestament der Gewährung des Barbetrages gemäß § 27b Abs. 2, 3 SGB XII bei Zweckidentität entgegen stehen können, vgl. Sozialgericht (SG) Stuttgart, Entscheidung vom 05.06.2019 – S 11 SO 4131/17 –).

  • Darauf, dass der Testamentsvollstrecker die vom Erblasser getroffenen Verwaltungsanordnungen im Sinne des § 2216 Abs. 2 BGB umsetzt, hat das Kind als Erbe einen durchsetzbaren Anspruch.

Der 10. Zivilsenat des OLG Hamm hat beispielsweise mit Urteil vom 27.10.2016 –10 U 13/16 – in einem Fall, in dem 

  • ein behindertes Kind in einem Behindertenwohnheim lebte und 
  • im Rahmen der stationären Eingliederungshilfe staatliche Sozialleistungen erhielt, 

ein von den Eltern errichtetes privatschriftliches gemeinschaftliches Testament für wirksam erachtet, in dem diese 

bestimmt hatten, dass   

  • „dieses zu einem Anteil des 1,1 fachen seines Pflichtteils nach dem Tod eines Elternteils jeweils nicht befreiter Vorerbe werden soll,
  • für diese Erbteile des behinderten Kindes jeweils Dauertestamentsvollstreckung bis zum Eintritt des Nacherbfalls angeordnet wird, 
    • der Testamentsvollstrecker dem behinderten Kind nur so viele Mittel – zur Finanzierung persönlicher Interessen und Bedürfnisse – zur Verfügung stellen soll, dass ihm andere Zuwendungen, insbesondere staatliche Leistungen nicht verloren gehen, 
    • wenn Zuwendungen des Testamentsvollstreckers gegen dessen Willen insbesondere auf staatliche Leistungen angerechnet werden sollten, er seine Zuwendungen einzustellen und
    • das behinderte Kind keinen Anspruch auf Herausgabe des Nachlasses sowie von Nachlassgegenständen und Nachlasserträgen hat“. 

Zwar kann auch in einem solchen Fall 

  • das behinderte Kind bzw. ein für Erbangelegenheiten des Kindes bestellter Pfleger durch Ausschlagung der durch die Testamentsvollstreckung und die Nacherbfolge beschränkten Erbschaft 

den Pflichtteilsanspruch erhalten (vgl. § 2306 BGB) und dadurch dem Sozialhilfeträger den Zugriff auf den Pflichtteilsanspruch eröffnen. 

  • Eine solche Ausschlagung muss jedoch nicht erfolgen und es besteht auch keine Verpflichtung hierzu.

Haben Sie Fragen hierzu? Der Rechtsanwalt Ihres Vertrauens wird Ihnen diese gerne beantworten.

Wichtig zu wissen für Arbeitnehmer, wenn zwischen ihnen und ihrem ehemaligen Arbeitgeber streitig ist,

…. ihre tatsächliche Beschäftigung bei ihm und somit ihre Versicherungspflicht als Arbeitnehmer bzw. ob sie 

  • zur Sozialversicherung hätten angemeldet und 
  • Beiträge für bestimmte Beschäftigungszeiträume hätten entrichtet werden müssen. 

Mit Urteil vom 29.11.2019 – S 19 KR 2794/17 – hat das Sozialgericht (SG) Stuttgart darauf hingewiesen, dass Arbeitnehmer, die mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber 

  • über das Bestehen der Versicherungs- und der Beitragspflicht auf Grund von Beschäftigungsverhältnissen

streiten und

  • die Anmeldung zur Sozialversicherung sowie 
  • die Entrichtung entsprechender Beiträge für bestimmte Zeiträume 

begehren, können und müssen ggf. bei der Einzugsstelle, 

  • die gemäß § 28h Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege und Rentenversicherung durch Verwaltungsakt zu entscheiden hat,  

beantragen, 

  • das Beitragseinzugsverfahren gegen den ehemaligen Arbeitgeber einzuleiten.

Allein die Einzugsstelle ist auch,

  • sollte der Antrag auf Einleitung des Beitragseinzugsverfahren erfolglos bleiben 

die richtige Klagegegnerin, wenn der Arbeitnehmer Klage auf Verpflichtung zum Beitragseinzug erheben will.

  • In diesem Rechtsstreit gegen die Einzugsstelle werden der Arbeitgeber und der Rentenversicherungsträger beigeladen. 

Eine 

  • gegen den früheren Arbeitgeber 

gerichtete Verpflichtungsklage 

  • auf Abgabe einer berichtigten Meldung und 
  • auf Zahlung von Beiträgen an die Einzugsstelle bzw. eine Feststellungsklage auf Bestehen von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- oder Rentenversicherung 

ist dagegen unzulässig (Quelle: Pressemitteilung des SG Stuttgart).

Berufskraftfahrer sollten wissen, wann, nach Verlust des Arbeitsplatzes wegen Fahrerlaubnisentzugs, auch Sperrzeit

…. für Arbeitslosengeld droht.  

Mit Urteil vom 30.09.2019 – S 3 AL 6956/18 – hat das Sozialgericht (SG) Stuttgart darauf hingewiesen, dass, wenn einem als Berufskraftfahrer Beschäftigten, 

  • wegen einer vorsätzlichen Verkehrsstraftat, 
    • wie beispielsweise dem unerlaubten Entfernen vom Unfallort, 

die Fahrerlaubnis entzogen sowie sein Führerschein eingezogen und vom Arbeitgeber daraufhin das Arbeitsverhältnis gekündigt wird, 

  • weil er den Mitarbeiter aufgrund des Führerscheinverlustes nicht mehr (weiter) beschäftigen kann,

Ursache der Arbeitslosigkeit ein arbeitsvertragswidriges Verhalten ist, weswegen grundsätzlich

  • eine Sperrzeit für das Arbeitslosengeld 

eintreten kann. 

Danach kann

  • die Begehung einer vorsätzlichen Verkehrsstraftat, die zum Verlust der für ein Beschäftigungsverhältnis erkennbar notwendigen Fahrerlaubnis führt, 

die Feststellung eines versicherungswidrigen Verhaltens nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) 

  • in Form der jedenfalls grob fahrlässigen Herbeiführung der Arbeitslosigkeit durch vorsätzliches arbeitsvertragswidriges Verhalten 

rechtfertigen (Quelle: Pressemitteilung des SG Stuttgart).