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Sturz wegen gefrorenen Waschwassers nach Autowäsche auf Selbstbedienungswaschplatz

Da allgemein bekannt ist, dass es beim winterlichen Betrieb eines Selbstbedienungswaschplatzes durch betriebsbedingt verspritztes Wasser zu einer – mit vertretbarem Aufwand – nicht zu verhindernden Glättebildung kommen kann, müssen Kunden auf diese Gefahr nicht hingewiesen werden.

Das hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 22.05.2015 – 9 U 171/14 – entschieden und die Klage einer Pkw-Fahrerin abgewiesen,

  • die im Winter bei Temperaturen im Bereich des Gefrierpunktes eine Selbstbedienungs-Autowaschanlage aufgesucht hatte, dort nach dem Reinigen ihres Fahrzeugs mit der Waschbürste auf dem Weg zu einem Mülleimer, weil beim Autowaschen verlaufenes Waschwasser zwischenzeitlich an einzelnen Stellen gefroren war, gestürzt war, sich dabei erheblich verletzt hatte und
  • wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vom dem von ihr verklagten Betreiber der Waschanlage ca. 4.500 Euro Schadensersatz sowie Schmerzensgeld in der Größenordnung von 15.000 Euro verlangt hatte.

 

Erfolglos geblieben ist die Klage, weil, wie der 9. Zivilsenat des OLG Hamm ausgeführt hat,

  • zwar anerkannt ist, dass jeder, der für Dritte Gefahrenquellen schafft, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze dieser Dritten treffen muss, damit sich die möglichen Gefahren nicht realisieren können, der, der eine erhöhte Gefahrenquelle im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit schafft, erst recht dafür sorgen muss, dass das von ihm angelockte Publikum in seinen Räumlichkeiten bzw. auf seinem Gewerbegrundstück nicht zu Schaden kommt und deshalb auch den Betreiber einer automatisierten Waschanlage grundsätzlich eine Verkehrssicherungspflicht in Hinblick auf betriebsbedingte Gefahrenquellen trifft, an deren Erfüllung insbesondere im Winter erhöhte Anforderungen zu stellen sind,
  • jedoch die Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Selbstbedienungswaschplatzes, dann, wenn nicht Niederschläge, wie Regen oder Schnee, zu einer Glatteisbildung geführt haben, sondern diese vielmehr durch überfrierendes Waschwasser entstanden ist, nicht so weit geht, dass er bei fortlaufender Nutzung des Waschplatzes und winterlichen Temperaturen während oder nach jeder SB-Wäsche Maßnahmen zur Verhinderung stellenweiser Blitzeisbildung zu treffen hat, wobei dahinstehen mag, ob solche jedenfalls in Form von Streumaßnahmen bei fortlaufendem Waschbetrieb überhaupt erfolgversprechend gewesen wären.

 

Da, wie der Senat weiter ausgeführt hat, Kunden eines Selbstbedienungswaschplatzes, die sich bei winterlichen Temperaturen entscheiden, ihren Pkw dort gegen Zahlung eines relativ geringen Entgelts selbst zu reinigen, wissen,

  • dass vom Betreiber lediglich die Waschplatznutzung, aber gerade kein darüber hinausgehendes Service geboten wird und aus wirtschaftlichen Gründen auch nicht geboten werden kann,
  • dass deswegen dort auch insbesondere nicht mit der Anwesenheit von Personal zu rechnen ist,
  • dass beim SB-Waschen Wasser im Bereich der Waschboxen verspritzt, dieses Wasser bei niedrigen Temperaturen gefrieren kann und
  • angesichts dessen die Gefahr überfrierenden Waschwassers im Bereich der Waschbox bei Nutzung derselben bei winterlichen Temperaturen auf der Hand liegt,

 

müssen Kunden vom Betreiber auch nicht darauf hingewiesen werden, dass im Bereich des Waschplatzes auch dann Glatteis vorhanden sein kann, wenn das übrige Gelände eisfrei ist und auch die Witterung kein Glatteis erwarten lässt.
Denn die Verkehrssicherungspflicht geht nicht so weit, dass einem Teilnehmer am Verkehr jede eigene Überlegung und Beobachtung abgenommen werden müsste; warnen muss der Verkehrssicherungspflichtige lediglich vor solchen Gefahren, die für den Benutzer nicht erkennbar sind und mit denen er auch nicht zu rechnen braucht.

 

Wann handelt es sich bei einem Unfall um einen Arbeitsunfall?

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2 , 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs. 1 Satz 2).
Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich,

  • dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls (bzw. kurz davor) der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang),
  • diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und
  • dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).

 

Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 30.01.2007 – B 2 U 23/05 R – vom 17.02.2009 – B 2 U 18/07 R – und vom 15.05.2012 – B 2 U 16/11 R –).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass

  • das Unfallereignis selbst sowie
  • die versicherte Tätigkeit als auch
  • der Gesundheitsschaden

 

mit dem sog. Vollbeweis nachgewiesen sein müssen.
Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen.

Nur für die Kausalbeziehungen zwischen dem unfallbringenden Verhalten und der Krankheit genügt nach herrschender Meinung

  • der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit,
    • der dann gegeben ist, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht bzw. wenn bei der Berücksichtigung aller Umstände die für den Ursachenzusammenhang sprechenden Umstände so stark überwiegen, dass die Entscheidung darauf gegründet werden kann,
    • wobei die bloße Möglichkeit allerdings nicht ausreicht.

 

Darauf hat der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) in Darmstadt mit Urteil vom 20.07.2015 – L 9 U 69/14 – hingewiesen und entschieden, dass für Aktivitäten, die im Rahmen einer vom Arbeitgeber organisierten (Führungskräfte-)Tagung einem abgrenzbaren, freiwilligen Freizeitprogrammteil zuzuordnen ist, kein Versicherungsschutz besteht.
In dem dieser Entscheidung zugrunde liegendem Fall war der Kläger, der bei seinem Arbeitgeber die Funktion des Leiters Zentrale Kundenbearbeitung bekleidete, bei einer Skiabfahrt, während einer von seinem Arbeitgeber organisierten Tagung für Führungskräfte gestürzt und hatte sich hierbei eine Verrenkung der Schulter und einen Bruch des Oberarmkopfes links zugezogen.
Nach der Entscheidung des 9. Senats des Hessischen LSG stellte sich der Skiunfall des Klägers, unter Berücksichtigung der obigen Grundsätze, deshalb nicht als Arbeitsunfall dar, weil das Skifahren, bei dem sich der Sturz ereignete, in keinem inneren oder sachlichen Zusammenhang mit der nach § 2 Abs. 1 SGB VII versicherten Tätigkeit des Klägers als Leiter der Zentralen Kundenbearbeitung stand.

 

Wenn Staatsanwaltschaft ein Verfahren nach § 153 Abs. 1 StPO einstellt oder den Anzeigeerstatter auf den Privatklageweg verweist

Stellt die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren

  • nach § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) oder
  • mangels Vorliegens des öffentlichen Interesses i.S.d. § 376 StPO unter Verweisung auf den Privatklageweg nach § 170 Abs. 2 StPO ein,

sind diese Entscheidungen für den möglichen Verletzten – abgesehen von Gegenvorstellung und Dienstaufsichtsbeschwerde – grundsätzlich nicht anfechtbar (vgl. §§ 172 Abs. 2 Satz 3, 153 Abs. 2 Satz 4 StPO).

 

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Beschluss vom 24.08.2015 – 2 VAs 19-21/15 – hingewiesen. 

 

Wenn einem Unterhaltspflichtigen ein Geschäftswagen zur Nutzung auch für private Zwecke überlassen ist

Bei der Ermittlung des Einkommens des gemäß §§ 1601, 1602 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Unterhaltspflichtigen ist

  • der Wert des Sachbezugs durch die Überlassung eines Firmenfahrzeugs auch für private Zwecke
  • gemäß § 287 ZPO zu schätzen.

 

Der Vorteil des Firmenfahrzeugs wird durch die steuerliche Bewertung erfasst

Allerdings kann dann eine Korrektur des steuerlichen Ansatzes geboten sein, wenn sich der Unterhaltspflichtige aufgrund seiner angespannten wirtschaftlichen Situation (hier: Verbraucherinsolvenz, 4 Unterhaltsberechtigte) privat ein weniger teures Fahrzeug anschaffen würde.
Dann ist es gerechtfertigt, dem Einkommen

  • nur den Nutzungsvorteil
  • eines seinem Einkommen, seinen Unterhaltspflichten und seinen Verbindlichkeiten entsprechenden Fahrzeugs zuzurechnen.

 

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Beschluss vom 27.08.2015 – 2 UF 69/15 – hingewiesen.

 

Zahlungsverlangen unter Hinweis auf die Übermittlung der Schuldnerdaten an die SCHUFA

Ein in der Mahnung eines Mobilfunkunternehmens erfolgter Hinweis auf die bevorstehende Übermittlung der Daten des Schuldners an die SCHUFA steht nur dann im Einklang mit der Bestimmung des § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG),

  • wenn nicht verschleiert wird,
  • dass ein Bestreiten der Forderung durch den Schuldner selbst ausreicht, um eine Übermittlung der Schuldnerdaten zu verhindern.

 

Darauf hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 19.03.2015 – I ZR 157/13 – hingewiesen und

  • ein Telekommunikationsunternehmen, das Verbrauchern entgeltlich den Zugang zu ihrem Mobilfunknetz anbot, auf eine Klage der Verbraucherzentrale Hamburg e.V. hin, verurteilt, es zu unterlassen,
  • Verbraucher mit dem folgenden Hinweis an den Ausgleich einer angeblichen Forderung von einem Inkassoinstitut erinnern zu lassen:
    „ …….. Als Partner der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (SCHUFA) sind wir verpflichtet, die unbestrittene Forderung der SCHUFA mitzuteilen, sofern nicht eine noch durchzuführende Interessenabwägung in Ihrem Fall etwas anderes ergibt. Ein SCHUFA-Eintrag kann Sie bei Ihren finanziellen Angelegenheiten, z.B. der Aufnahme eines Kredits, erheblich behindern. Auch Dienstleistungen anderer Unternehmen können Sie dann unter Umständen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt in Anspruch nehmen ……..“,

 

Diese von der Verbraucherzentrale Hamburg e.V. beanstandete Ankündigung der Übermittlung der Schuldnerdaten an die SCHUFA entspricht, wie der I. Zivilsenat des BGH ausgeführt hat, nicht den Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BDSG.
Denn nach dieser Vorschrift ist die Übermittlung personenbezogener Daten über eine Forderung an Auskunfteien nur zulässig, soweit

  • die geschuldete Leistung trotz Fälligkeit nicht erbracht ist,
  • die Übermittlung zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle oder eines Dritten erforderlich ist,
  • der Betroffene nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung mindestens zweimal schriftlich gemahnt worden ist (Nr. 4 Buchst. a),
  • zwischen der ersten Mahnung und der Übermittlung mindestens vier Wochen liegen (Nr. 4 Buchst. b),
  • die verantwortliche Stelle den Betroffenen rechtzeitig vor der Übermittlung der Angaben, jedoch frühestens bei der ersten Mahnung über die bevorstehende Übermittlung unterrichtet hat (Nr. 4 Buchst. c) und
  • der Betroffene die Forderung nicht bestritten hat (Nr. 4 Buchst. d),

 

hier aber, durch das Fehlen eines hinreichend klaren Hinweises, dass der Verbraucher mit dem bloßen Bestreiten der Forderung eine Mitteilung an die SCHUFA verhindern könne, der unzutreffende Eindruck erweckt wird, die Mitteilung erfolge im Falle der Nichtzahlung zwangsläufig oder liege allein im Ermessen der Beklagten.
Um einem in der Regel juristisch nicht vorgebildeten Adressaten zu verdeutlichen, dass er es in der Hand habe, durch ein einfaches Bestreiten der Forderung den angedrohten SCHUFA-Eintrag zumindest zunächst abzuwenden, sei die in dem Mahnschreiben verwendete Formulierung, wonach die Beklagte verpflichtet sei, der SCHUFA „die unbestrittene Forderung“ mitzuteilen, nicht ausreichend.

 

Keine Eintragung mehrerer Hauptwohnungen im Melderegister

Mit Urteil vom 30.09.2015 – 6 C 38.14 – hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) darauf hingewiesen, dass die gleichzeitige Eintragung mehrerer Hauptwohnungen in das Melderegister ebenso unzulässig ist wie die Eintragung mehrerer Wohnungen, ohne dass deren Status als Haupt- oder Nebenwohnung bestimmt ist.

Nach der Entscheidung des Senats kann, wenn ein Einwohner mehrere Wohnungen hat, nur eine einzige dieser Wohnungen Hauptwohnung sein; jede weitere Wohnung ist Nebenwohnung.
Hauptwohnung ist

  • die überwiegend benutze Wohnung,
  • bei Minderjährigen die Wohnung der Personensorgeberechtigten und,
  • wenn diese getrennt leben, die Wohnung des Sorgeberechtigten, welche der Minderjährige überwiegend nutzt.

 

In Zweifelsfällen ist die überwiegend genutzte Wohnung dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen liegt.

Wie der Senat weiter ausgeführt hat, diene die Unterscheidung von Haupt- und Nebenwohnung nach diesen objektiven Kriterien dazu, einen eindeutigen Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit zahlreicher Behörden sowie für Rechte und Pflichten festzulegen, welche an die Wohnung einer Person gebunden sind.
Die gebotene Unterscheidung zwischen Hauptwohnung und Nebenwohnung für den Vollzug des Meldegesetzes sei auch dann möglich, wenn getrennt lebende Eltern eines minderjährigen Kindes das Sorgerecht im paritätischen Wechselmodell ausüben.
Zwar lasse sich dann regelmäßig nicht feststellen, welche Wohnung das minderjährige Kind überwiegend nutzt und wo der Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen liegt.
In diesem Fall obliege es den sorgeberechtigten Eltern, gemeinsam eine ihrer Wohnungen als Hauptwohnung des Kindes zu bestimmen.
Können sie sich nicht einigen, sei Hauptwohnung die Wohnung desjenigen Elternteils, dessen Wohnung bislang Hauptwohnung oder alleinige Wohnung des Minderjährigen war. Die Wohnung des anderen Elternteils sei dann als weitere Wohnung Nebenwohnung.

Das hat die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts am 30.09.2015 – Nr. 78/2015 – mitgeteilt.

 

Wenn die erste Prämie einer Kraftfahrt-Vollkaskoversicherung bei Eintritt des Versicherungsfalles nicht bezahlt ist

Die Leistungsfreiheit des Versicherers wegen Nichtzahlung der einmaligen oder ersten Versicherungsprämie setzt den Nachweis des Zugangs einer entsprechenden Prämienrechnung voraus.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart mit Urteil vom 10.09.2015 – 7 U 78/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem der Kläger nach einem Verkehrsunfall mit seinem PKW, aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages über eine Kraftfahrt-Vollkaskoversicherung, den dadurch entstandenen Schaden in Höhe von 5.504,32 EUR, abzüglich des Selbstbehalts von 300,00 EUR, von dem beklagten Versicherer verlangt hatte,
  • den Versicherer antragsgemäß verurteilt, weil
    • dieser sich gegen den geltend gemachten Anspruch ausschließlich damit verteidigt hatte, er sei wirksam nach § 37 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vom Versicherungsvertrag zurückgetreten sowie zudem auch nach § 37 Abs. 2 VVG leistungsfrei,
    • vom Kläger der Zugang des Versicherungsscheins bestritten worden war und
    • der beklagte Versicherer nicht bewiesen hatte, dass dem klagenden Versicherungsnehmer der einschlägige Versicherungsschein vor dem Verkehrsunfall bzw. vor Zugang des Rücktrittsschreibens zugegangen war.

 

Wie das OLG Stuttgart zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt hat,

  • ist nach § 37 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) der Versicherer, wird die einmalige oder die erste Prämie nicht rechtzeitig gezahlt, solange zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, wie die Zahlung nicht bewirkt ist und
  • nach § 37 Abs. 2 Satz 1 VVG nicht zur Leistung verpflichtet, wenn die einmalige oder die erste Prämie bei Eintritt des Versicherungsfalls nicht gezahlt ist und der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge der Nichtzahlung der Prämie aufmerksam gemacht hat,

 

es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Nichtzahlung nicht zu vertreten.

Voraussetzung von Rücktrittsrecht und Leistungsfreiheit ist es demnach,

  • dass die Erstprämie nicht rechtzeitig gezahlt worden ist,
  • was das Ausbleiben der Leistungshandlung zum Zeitpunkt der Fälligkeit voraussetzt.

 

Für den obigen Streitfall bedeutet dies,

  • die Erstprämie, auf deren Nichtzahlung sich der Versicherer zur Begründung seines auf § 37 Abs. 1 VVG bzw. aus § 37 Abs. 2 VVG gestützten Einwands beruft,
  • hätte zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls bzw. zum Zeitpunkt des erklärten Rücktritts zur Zahlung fällig sein müssen.

 

Fälligkeitsvoraussetzung ist indes

  • der Zugang des Versicherungsscheins,
  • für den der Versicherer darlegungs- und beweisbelastet ist, wenn der Versicherungsnehmer den Zugang bestreitet, wobei er sich insoweit auf einfaches Bestreiten beschränken kann.

 

Einen solchen Zugang beweist – auch nicht prima facie – weder die Absendung, noch der Umstand, dass die Sendung nicht zurückgekommen ist.
Erfahrungssätze, dass Postsendungen den Empfänger erreichen bestehen nämlich nicht, zumal es in der Hand des Versicherers liegt, etwaige Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, indem er den Versicherungsschein durch Einschreiben mit Rückschein übersendet. Verzichtet ein Versicherer hierauf führt dies dazu, dass er die durch eine Beweisfälligkeit entstehenden Kosten zu tragen hat.

 

Schlag gegen Kopf eines Säuglings

Weil der zur Tatzeit 20-jährige Angeklagte dem sieben Wochen alten Säugling seiner damaligen Freundin einen derart schweren Schlag gegen den Kopf versetzt hatte, dass das Kind hierdurch ein Schädelhirntrauma sowie eine Hirnblutung erlitt und in akuter Lebensgefahr geschwebt war, hat ihn die 3. Große Jugendkammer des Landgerichts (LG) Osnabrück – 3 KLs 8/15 – wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen nach § 225 Abs. 3 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten verurteilt.

Gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG) hat die Kammer auf den heranwachsenden Angeklagten Jugendrecht angewandt, angesichts der erheblichen Gewalteinwirkung gegen das wehrlose Kind wegen der Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG aber die Verhängung von Jugendstrafe für erforderlich erachtet, während der der Angeklagte Gelegenheit hat, an sich zu arbeiten und ggf. eine Berufsausbildung zu beginnen.

In welchem Ausmaß dauerhafte Folgen bei dem geschädigten Kind verbleiben werden, war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch nicht abzusehen.

Das hat die Pressestelle des Landgerichts Osnabrück am 29.09.2015 – 50/15 – mitgeteilt.

 

Hygienemängel im Krankenhaus

Trägt ein Krankenhauspfleger bei der Eröffnung eine Abszedierung an der Hand einer Patientin Handschuhe, mit denen er zuvor die Türklinke des Krankenzimmers berührt und die er dadurch kontaminiert hatte,

  • stellt dies zwar einen Hygienemangel dar,
  • der jedoch, weil dieser Verstoß gegen den medizinischen Standard nicht als grob zu bewerten ist, zu keiner Beweislastumkehr führt,
  • so dass ein solcher Hygienemangel nur dann eine Haftung des Krankenhauses begründet, wenn die Patientin nachweisen kann, dass ihr durch den Hygienemangel ein Gesundheitsschaden entstanden ist.

 

Das hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 17.08.2015 – 3 U 28/15 – entschieden und in einem Fall,

  • in dem ein Krankenhauspfleger beim Eröffnen der Abszedierung an der Hand der Klägerin Handschuhe getragen hatte, die infolge des Anfassens der Türklinke bereits als kontaminiert anzusehen waren,
  • die Klage der Klägerin auf Schadensersatz und Zahlung eines Schmerzensgeldes von 25.000 Euro abgewiesen, weil die Klägerin nicht hatte nachweisen können, dass (erst) beim Eröffnen der Abszedierung Erreger in ihren Körper gelangt seien, die dann zu einer Entzündungsreaktion und in deren Folge zu der Spondylodiszitis geführt haben.

 

In seiner Entscheidung hat der sachverständig beratene 3. Zivilsenat des OLG Hamm darauf hingewiesen,   

  • dass nicht jeder Verstoß gegen den medizinischen Hygienestandard einen groben Behandlungsfehler darstellt,
  • dass ein Hygieneverstoß umso schwerer wiegt und umso unverständlicher ist, je höher das Infektionsrisiko und je gravierender die Folgen einer möglichen Infektion sein könnten,
  • dass aus klinischer Sicht hinsichtlich der einzuhaltenden hygienischen Anforderungen in 4 Risikogruppen unterteilt sowie dementsprechend danach differenziert wird, in welche Risikogruppe die Tätigkeit fällt, die unter Verletzung des hygienischen Standards vorgenommen worden ist,
  • die Tätigkeit in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall deswegen der untersten Risikogruppe zuzuordnen ist, weil es sowohl unwahrscheinlich ist, dass gegen den bei der Eröffnung eines Abszesses ausströmenden Eiter etwas in die Wunde gelangt, als auch, dass es gravierende Folgen nach sich zieht, wenn die – von vornherein nur bakterienarmen, nicht sterilen – Handschuhe durch das Berühren der Türklinke zusätzlich kontaminiert worden sind

 

und bei dieser Sachlage der festgestellte Hygienemangel somit keinen groben Verstoß gegen medizinische Standards darstellt.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 29.09.2015 mitgeteilt.

 

Störende Bäume auf dem Nachbargrundstück

Der Entzug von Luft und Licht durch Anpflanzungen auf dem Nachbargrundstück stellt keine Einwirkung im Sinne von § 906 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar.

Darauf hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 229/14 – hingewiesen und die Klage eines Grundstückseigentümers abgewiesen,

  • der von seinem Nachbarn, auf dessen Grundstück, ca. 9 m bzw. 10,30 m von der Grundstücksgrenze entfernt, zwei ca. 25 m hohe Eschen standen,
  • deren Beseitigung nach §§ 1004, 906 BGB mit der Begründung verlangt hatte, sein Garten werde den Bäumen vollständig verschattet.

 

Begründet hat der V. Zivilsenat des BGH seine klageabweisende Entscheidung damit, dass der Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB

 

Da nach der Wertung des § 903 BGB eine Benutzung des Grundstücks in dessen räumlichen Grenzen im Zweifel von dem Eigentumsinhalt gedeckt ist, könne eine negative Einwirkung nur dann als Eigentumsbeeinträchtigung anzusehen sein, wenn die betreffende Grundstücksbenutzung gegen eine Rechtsnorm verstößt,

  • die den Inhalt des Eigentumsrechts im Interesse des Nachbarn beschränkt und
  • damit zugleich dessen Eigentumssphäre entsprechend erweitert.
  • Solche Rechtsnormen enthalten die Regelungen der Landesnachbargesetze über den bei Anpflanzungen einzuhaltenden Abstand.

 

Auf § 906 BGB könne, wie der Senat weiter ausgeführt hat, der Beseitigungsanspruch deshalb nicht gestützt werden, weil der Entzug von Luft und Licht durch Anpflanzungen als sogenannte negative Einwirkung nicht zu den Einwirkungen im Sinne von § 906 BGB zählt (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2003 – V ZR 199/02 –).
Ähnliche Einwirkungen im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB könnten nämlich nur solche sein, die mit den in der Norm ausdrücklich genannten Phänomenen vergleichbar sind und hierzu gehörten nur positiv die Grundstücksgrenze überschreitende, sinnlich wahrnehmbare Wirkungen.

Da auch die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis herzuleitendem Beseitigungsanspruch in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall nicht gegeben waren, beurteilte sich, ob wegen des Entzugs von Luft und Licht durch Anpflanzungen Beseitigungsansprüche bestehen, daher nach den Regelungen der Landesnachbargesetze über den bei Anpflanzungen einzuhaltenden Abstand und ein Verstoß dagegen lag nicht vor.