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Wer muss im Zivilprozess was darlegen bzw. behaupten und wer muss was beweisen?

Die Darlegungs- oder Behauptungslast richtet sich grundsätzlich nach der Beweislast und für die Beweislast gilt:

  • Jede Partei, die eine Rechtsfolge begehrt, trifft die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen;
  • die Gegenpartei trägt die Beweislast für
    • rechtshindernde,
    • rechtshemmende und
    • rechtsvernichtende Tatsachen.

Ob eine Tatsache rechtsbegründend, rechtshindernd, rechtshemmend oder rechtsvernichtend ist, ergibt sich aus dem materiellen Recht (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 26.06.2014 – VII ZR 289/12 –).

  • Bestreiten kann eine Tatsache nur, wer nicht die Behauptungslast hat.
  • Gesetzliche Tatsachenvermutungen (wie z. B. in den §§ 1006 Abs. 2, 1117 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) nehmen einem die Behauptungslast teilweise ab.
    • Der Gegner hat dann die volle Behauptungs- und Beweislast für das Gegenteil.
  • Tatsächliche Vermutungen (z. B., dass die Vertragsurkunde die Parteivereinbarung richtig und vollständig wiedergibt) beruhen auf der Lebenserfahrung und erleichtern Vortrag und Beweis.
    • Der Gegner genügt seiner Behauptungs- und Beweislast in diesen Fällen wenn er Tatsachen für die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs behauptet und beweist.
    • Dann hat der Angreifer wieder die volle Beweislast.
       

Rückforderung von Zuwendungen an Ex-Schwiegerkind – Wann verjährt ein solcher Anspruch?

Werden Zuwendungen an Schwiegerkinder im Falle der Trennung der Eheleute nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage von dem Ex-Schwiegerkind zurückgefordert, ist zu beachten, dass ein solcher Anspruch der ehemaligen Schwiegereltern spätestens mit der Scheidung der Eheleute fällig wird, so dass die 3-jährige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem die Ehe geschieden worden ist.

Darauf hat das Landgericht (LG) Coburg mit Urteil vom 07.02.2014 – 22 O 396/13 – hingewiesen.

Wann bei schwiegerelterlichen Zuwendungen Rückforderungsansprüche nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen können hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 20.07.2011 – XII ZR 149/09 – entschieden.

 

Wenn Kinder mit Softair-Pistolen spielen – Eltern haben erhöhte Aufsichtspflicht.

Wenn Kinder unter 14 Jahren mit Softair-Pistolen spielen genügt es nicht, dass die Eltern sie ermahnen die Softair-Pistolen nur nach Anlegung des dafür vorgesehenen Gesichts- bzw. Augenschutzes einzusetzen und auf solche Schutzmaßnahmen auch bei anderen Spielteilnehmern zu bestehen.

Vielmehr ist es,

  • da es sich bei Softair-Pistolen um Gegenstände mit deutlich erhöhtem Gefahrenpotenzial handelt, die geeignet sind nicht unerhebliche Verletzungen an empfindlichen Körperteilen zu verursachen,

erforderlich,

  • dass die Sorgeberechtigten eine umfassende Kontrolle über den Einsatz solcher Waffen seitens ihrer Kinder behalten.
  • Insbesondere muss gewährleistet sein, dass zeitnah eingegriffen werden kann, wenn etwa durch die Art des Spiels, die Spielteilnehmer oder deren Verhalten sich konkrete, besondere Gefahren ergeben.

Kommen Eltern dieser umfassenden Aufsichtspflicht nicht nach und lassen sie ihre Kinder weitgehend unkontrolliert schalten und walten, können sie, wenn ihr Kind bei einer Schussabgabe aus einer Softair-Pistole ein anderes Kind verletzt, nach § 832 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen Verletzung der Aufsichtspflicht schadensersatzpflichtig sein.

Das hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Urteil vom 17.07.2014 – 1 U 3/14 – entschieden und eine Mutter wegen mangelnder Aufsicht ihres Sohnes zur Zahlung von Schadensersatz, u. a. eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000 Euro verurteilt, weil dieser ein anderes Kind, das keine Schutzbrille trug, durch einen abgegebenen Schuss aus einer Softair-Pistole eine schwere Verletzung am linken Auge zugefügt hatte. Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass auch künftig eintretende Schäden von der Mutter zu ersetzen sind.
Ein ins Gewicht fallendes Mitverschulden des verletzten Kindes nahm das OLG nicht an.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Oldenburg am 17.07.2014 mitgeteilt.

 

„Vermehrte Bedürfnisse“ im Sinne von § 843 BGB – Was ist darunter zu verstehen?

Wird infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit

  • die Erwerbsfähigkeit eines – beispielsweise bei einem Verkehrsunfall – Verletzten
    • aufgehoben oder
    • gemindert oder
  • tritt eine Vermehrung seiner Bedürfnisse ein,

so hat der Schädiger nach § 843 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dem Verletzten durch Entrichtung einer Geldrente Schadensersatz zu leisten.

Der Begriff der „Vermehrung der Bedürfnisse“ im Sinne dieser Vorschrift umfasst alle unfallbedingten Mehraufwendungen, die den Zweck haben, diejenigen Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten infolge dauernder Beeinträchtigung seines körperlichen Wohlbefindens entstehen.
Es muss sich demnach grundsätzlich um Mehraufwendungen handeln, die

  • dauernd und
  • regelmäßig

erforderlich sind und

  • die zudem nicht – wie etwa Heilungskosten – der Wiederherstellung der Gesundheit dienen.

Zudem umfasst der Begriff „vermehrte Bedürfnisse“ in § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB nur solche Mehraufwendungen,

  • die dem Geschädigten im Vergleich zu einem gesunden Menschen erwachsen und
  • sich daher von den allgemeinen Lebenshaltungskosten unterscheiden, welche in gleicher Weise vor und nach einem Unfall anfallen.

So kommen als ersatzpflichtige Kosten zum Beispiel

  • erhöhte Ausgaben für Verpflegung und Ernährung (Diät),
  • Aufwendungen für Kuren und orthopädische Hilfsmittel sowie
  • Pflegekosten und
  • Kosten für Haushaltshilfen

in Betracht.

Neben diesen wiederkehrenden Aufwendungen können aber auch einmalige Kosten zu ersetzen sein.
So kann in besonders gelagerten Fällen ein Schaden nach §§ 249, 251 BGB auszugleichen sein, wenn durch die einmalige Anschaffung eines Hilfsmittels für den Verletzten dessen erhöhtes Bedürfnis für die Zukunft in ausreichendem Maße befriedigt werden kann.

  • Diese Voraussetzung kann etwa bei der Anschaffung
    • eines Rollstuhls für einen Gehunfähigen oder
    • einer elektronischen Schreibhilfe für einen Querschnittgelähmten erfüllt sein.
  • Im Einzelfall können auch
    • die Aufwendungen für den Bau oder Ausbau eines der Behinderung angepassten Eigenheims oder
    • die Kosten für die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs ersatzpflichtig sein, nämlich dann, wenn der Verletzte dadurch überhaupt erst in die Lage versetzt wird, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen.

Zu den typischen Aufwendungen, die in § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB unter dem Begriff „Vermehrung der Bedürfnisse“ zusammengefasst sind, können auch verletzungsbedingt erforderliche Mehraufwendungen für Kraftfahrzeuge gehören, z.B.

  • die Kosten für den Einbau von Sonderausrüstungen oder
  • die Ausstattung mit einem automatischen Getriebe.

Darauf haben der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 20.01.2004 – VI ZR 46/03 – und die 1. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Wiesbaden im Urteil vom 27.05.2014 – 1 O 44/14 – hingewiesen.

 

Wie ist das mit einer im Grundbuch eingetragenen Buchgrundschuld wenn das damit gesicherte Darlehen getilgt ist?

Ein Grundstückseigentümer, der bei einer Bank ein Darlehen aufnimmt und zu dessen Sicherung der Bank eine Buchgrundschuld an seinem Grundstück bestellt, kann nach Tilgung der gesicherten Forderung nach dem Gesetz entscheiden,

  • ob die Grundschuld im Grundbuch gelöscht oder
  • ob sie erneut verwendet

werden soll. Er kann nämlich wählen, ob das Grundpfandrecht

  • durch Löschung im Grundbuch,
  • durch Verzicht oder
  • durch Übertragung an ihn oder einen Dritten

zurückgewährt werden soll.

Eine Grundschuld nach Tilgung des Darlehens im Grundbuch nicht löschen zu lassen kann für den Grundstückseigentümer deshalb durchaus von Vorteil sein, weil er sich dadurch nicht nur die Notar- und Grundbuchgebühren für die Löschung der Grundschuld spart, sondern weil er, wenn er künftig nochmal ein Darlehen benötigen sollte, die Grundschuld dann zur Absicherung des neuen Darlehens weiter verwenden kann.
Zu seiner eigenen Sicherheit kann sich der Grundstückseigentümer in einem solchen Fall von der Bank eine Verzichtserklärung samt Löschungsbewilligung ausstellen lassen. Damit bestätigt die Bank, dass das Darlehen getilgt ist.
Für die Ausfertigung einer solchen Löschungsbewilligung darf die Bank im Übrigen grundsätzlich keine Gebühr erheben. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank, dass für die Ausfertigung von Löschungsbewilligungen bei Grundpfandrechten ein Entgelt zu entrichten ist, ist unwirksam (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 07.05.1991 – XI ZR 244/90 –).

Unwirksam ist auch eine in der Sicherungsabrede zwischen der darlehensgebenden Bank sowie dem Darlehensnehmer und Grundstückseigentümer enthaltene, von der Bank vorformulierte Klausel,

  • die vorsieht, dass, „soweit dem Sicherungsgeber nach Erledigung des vereinbarten Sicherungszwecks ein Rückgewähranspruch auf die Grundschuld zusteht, dieser auf den Anspruch auf Löschung der Grundschuld beschränkt ist, es sei denn, dass im Zeitpunkt der Rückgewähr das Eigentum an dem belasteten Grundstück durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung gewechselt hat“,
  • jedenfalls dann, wenn sie sich auch auf Fallkonstellationen erstreckt, in denen der Inhaber des Rückgewähranspruchs im Zeitpunkt der Rückgewähr nicht mehr Grundstückseigentümer ist.  

Durch eine solche, dem gesetzlichen Leitbild widersprechende Klausel, die den Anspruch des Bankkunden auf Rückgewähr der Sicherungsgrundschuld auf deren Löschung beschränkt, würde in Fällen in denen der die Forderung tilgende Schuldner nicht mehr Grundstückseigentümer ist, dessen Rückgewähranspruch nämlich faktisch ausgeschlossen und der Kunde damit gravierend benachteiligt.

Das hat, wie die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 18.07.2014 –  Nr. 113/2014 – mitgeteilt hat, der unter anderem für Grundpfandrechte zuständige V. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 18.07.2014 – V ZR 178/13 – in einem Fall entschieden, in dem der die Forderung tilgende Schuldner nicht mehr Grundstückseigentümer war.

 

Kein Anspruch von Sozialhilfeempfängern auf Aufnahme in den Basistarif einer privaten Krankenversicherung.

Personen, die Empfänger laufender Leistungen nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII) sind (Sozialhilfeempfänger) und die ohne den Bezug von Sozialhilfe der Versicherungspflicht in der gesetzliche Krankenversicherung unterlägen, haben keinen Anspruch auf Aufnahme in den Basistarif einer privaten Krankenversicherung.

Das hat, wie die Pressestelle des Bundesgerichtshofs (BGH) am 16.07.2014 – Nr. 111/2014 – mitgeteilt hat, der u.a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 16.07.2014 – IV ZR 55/14 – entschieden.

 

Zur Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers im Betreuungsverfahren.

Dass eine Betreuung gegen den Willen des Betroffenen eingerichtet oder verlängert wird, begründet für sich genommen noch nicht die Notwendigkeit, einen Verfahrenspfleger zu bestellen.
Die Bestellung eines Verfahrenspflegers ist aber in der Regel dann erforderlich, wenn der Verfahrensgegenstand eine Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich erscheinen lässt.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 28.05.2014 – XII ZB 705/13 – hingewiesen.

Nach § 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers in der Regel erforderlich, wenn

  • Gegenstand des Verfahrens die Bestellung eines Betreuers zur Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen oder die Erweiterung des Aufgabenkreises hierauf ist,
  • sich das Verfahren auf eine Entscheidung über den Fernmeldeverkehr des Betreuten und über die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten seiner Post erstreckt (§ 1896 Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) oder
  • die Sterilisation des Betreuten zum Gegenstand hat (§ 1905 BGB).

Dabei ist nach der Rechtsprechung des XII. Zivilsenats des BGH aufgrund der Bedeutung des Verfahrensgegenstands die Bestellung eines Verfahrenspflegers in der Regel schon dann erforderlich, wenn der Verfahrensgegenstand eine Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich erscheinen lässt (BGH, Beschlüsse vom 04.08.2010 – XII ZB 167/10 –; vom 28.09.2011 – XII ZB 16/11 – und vom 07.08.2013 – XII ZB 223/13 –).

Abgesehen von den Regelfällen nach § 276 Abs. 1 Nr. 2 FamFG hat das Gericht dem Betroffenen gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 FamFG einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist.
Nach der Rechtsprechung des XII. Zivilsenats des BGH hängt die Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers vom Grad der Krankheit oder Behinderung des Betroffenen sowie von der Bedeutung des jeweiligen Verfahrensgegenstands ab (BGH, Beschlüsse vom 13.11.2013 – XII ZB 339/13 – und vom 11.12.2013 – XII ZB 280/11 –).

Der Umstand, dass die Betreuung letztlich gegen den Willen des Betroffenen eingerichtet oder verlängert wird, weil dieser nicht in der Lage ist, einen der Betreuung entgegenstehenden freien Willen nach § 1896 Abs. 1 a BGB zu bilden, begründet für sich genommen noch nicht die Notwendigkeit, einen Verfahrenspfleger zu bestellen.
Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Senatsbeschluss vom 29.06.2011 – XII ZB 19/11 –.
Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs kommt es vielmehr darauf an, ob der Betroffene die Möglichkeit hat, seine Interessen gegenüber dem Betreuungsgericht geltend zu machen und seinen Willen kundzutun. Das wird noch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Betroffene – etwa wegen mangelnder Krankheitseinsicht – nicht in der Lage ist, die Notwendigkeit der Betreuung zu erkennen. Ob in diesem Fall die Bestellung eines Verfahrenspflegers zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen notwendig ist, hängt vielmehr von den weiteren Umständen, insbesondere vom Grad der Krankheit oder Behinderung des Betroffenen sowie von der Bedeutung des jeweiligen Verfahrensgegenstands ab (BGH, Beschlüsse vom 13.11.2013 – XII ZB 339/13 – und  vom 11.12.2013 – XII ZB 280/11 –).

  • Je weniger ein Betroffener in der Lage ist, seine Interessen selbst wahrzunehmen,
  • je eindeutiger erkennbar ist, dass die geplanten Betreuungsmaßnahmen gegen seinen natürlichen Willen erfolgen und
  • je schwerer und nachhaltiger der beabsichtigte Eingriff in die Rechte des Betroffenen ist,

umso eher ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 11.12.2013 – XII ZB 280/11 –). 

 

Rollstuhlfahrer haben Anspruch auf Treppensteighilfe.

Ein gesetzlich krankenversicherter Pflegebedürftiger, der dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen ist und seine in der ersten Etage eines Mehrfamilienhaus gelegene Mietwohnung nicht verlassen kann, weil in dem Haus kein Aufzug vorhanden ist, hat Anspruch auf Versorgung mit einer elektronisch betriebenen mobilen Treppensteighilfe mit der er mit Unterstützung einer Pflegeperson im Rollstuhl sitzend die Treppen überwinden kann.

Das hat – wie die Pressestelle des Bundessozialgerichts (BSG) am 16.07.2014 mitgeteilt hat – der 3. Senat des BSG – B 3 KR 1/14 R – entschieden.

Danach ergibt sich dieser Anspruch zwar nicht aus § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), weil Mobilitätshilfen zum mittelbaren Behinderungsausgleich grundsätzlich nur dann in den Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung fallen, wenn sie nicht allein wegen der konkreten Wohnsituation des Versicherten, sondern praktisch in jeder Art von Wohnung benötigt werden. In ebenerdig gelegenen Wohnungen oder Häusern mit Aufzügen oder Treppenhilfen wird eine Treppensteighilfe aber nicht benötigt.

Der Anspruch ergibt sich aber aus § 40 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Für pflegebedürftige Versicherte, die dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen sind, stellt eine Treppensteighilfe ein Pflegehilfsmittel dar, weil mit ihrer Hilfe eine selbstständigere Lebensführung des Pflegebedürftigen ermöglicht wird. Denn um von der Wohnung nach draußen zu kommen oder von dort zurückzukehren, ist dann nur noch die Unterstützung durch eine Pflegeperson und nicht mehr, wie bisher, durch zwei Kräfte nötig. Die Pflegeversicherung stellt im Gegensatz zur Krankenversicherung auf einen Hilfebedarf im konkreten, individuellen Wohnumfeld ab.

Leistungspflichtig für ein solches Hilfsmittel ist grundsätzlich die Pflegekasse, kann aber ausnahmsweise auch die Krankenkasse sein, wenn bei ihr der Leistungsantrag gestellt worden ist.
Denn nach § 40 Abs. 5 Satz 1 SGB XI hat über die Bewilligung von Hilfsmitteln mit doppelter Funktion, nämlich Behinderungsausgleich einerseits und Pflegeerleichterung bzw. die Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung andererseits, derjenige Leistungsträger zu entscheiden bei dem der Leistungsantrag gestellt worden ist.

 

 

Zurückbehaltungsrecht des Leistungsempfängers wenn eine Rechnung nicht den Anforderungen des Umsatzsteuergesetzes entspricht?

Ein Unternehmer, der eine Lieferung oder sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) und dabei einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausführt, ist grundsätzlich verpflichtet, eine – den Anforderungen des Umsatzsteuergesetzes entsprechende – Rechnung auszustellen, vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG.

Eine solche Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 UStG nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nr. 8 bis 28 UStG steuerfrei ist.

  • Besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Rechnung nach § 14 UStG, kann der Leistungsempfänger das von ihm geschuldete Entgelt grundsätzlich nach § 273 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurückhalten, bis der Leistende ihm die Rechnung erteilt (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2011 – I ZR 125/10 –; Beschluss vom 08.03.2005 – VIII ZB 3/04 –).
  • Ist indes ernstlich zweifelhaft, ob die Leistung der Umsatzsteuer unterliegt, kann der Leistungsempfänger die Erteilung einer Rechnung nach § 14 UStG mit gesondert ausgewiesener Steuer nur verlangen, wenn die zuständige Finanzbehörde den Vorgang bestandskräftig der Umsatzsteuer unterworfen hat (offengelassen von BGH, Urteil vom 02.11.2001 – V ZR 224/00 –).
    Einer solchen bestandskräftigen Unterwerfung kommt es im Ergebnis gleich, wenn einer Klage des Leistungsempfängers gegen das für die Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber dem Leistenden zuständige Finanzamt auf Feststellung, dass der betreffende Umsatz steuerbar und steuerpflichtig ist, durch rechtskräftige Entscheidung stattgegeben wird.
    Soweit der Leistungsempfänger danach die Erteilung einer Rechnung nach § 14 UStG mit gesondert ausgewiesener Steuer nicht verlangen kann, steht ihm ein diesbezügliches Zurückbehaltungsrecht nicht zu.

Darauf und dass der Bundesfinanzhof (vgl. BFH, Urteil vom 10.07.1997 – V R 94/96 –) bei ernstlich zweifelhafter Steuerrechtslage eine Klage des Leistungsempfängers gegen das für die Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber dem Leistenden zuständige Finanzamt auf Feststellung, dass ein bestimmter Umsatz steuerbar und steuerpflichtig ist, für zulässig erachtet, hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 26.06.2014 – VII ZR 247/13 – hingewiesen.

 

Geschäftsherrn- Verrichtungsgehilfenverhältnis – Voraussetzungen.

Ob ein Geschäftsherrn-/Verrichtungsgehilfenverhältnis besteht, beurteilt sich nach den tatsächlichen Umständen.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 03.06.2014 – VI ZR 394/13 – hingewiesen.

Entscheidend für die Verrichtungsgehilfeneigenschaft ist, dass

  • die Tätigkeit in einer abhängigen Stellung vorgenommen wird und
  • der Geschäftsherr die Tätigkeit des Handelnden jederzeit
    • beschränken oder
    • entziehen oder
    • nach Zeit und Umfang bestimmen kann

(vgl. BGH, Urteile vom 10.12.2013 – VI ZR 534/12 –; vom 06.11.2012 – VI ZR 174/11 – und vom 10.03.2009 – VI ZR 39/08 –).

Die Qualifikation als Verrichtungsgehilfe setzt Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit voraus. Der Geschäftsherr haftet nach § 831 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für einen Verrichtungsgehilfen deshalb, weil er aufgrund eines objektiven Abhängigkeitsverhältnisses befugt ist, auf das Verhalten des Dritten tatsächlich Einfluss zu nehmen und gegebenenfalls auch das Verhältnis zu diesem zu beenden.

Bestehende Zweifel gehen zu Lasten des Anspruchstellers, dem grundsätzlich der Beweis dafür obliegt, dass ihm der geltend gemachte Schaden von einem Verrichtungsgehilfen des Geschäftsherrn zugefügt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2013 – VI ZR 534/12 –).