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Kollision von zwei rückwärts ausparkenden Fahrzeugen

Kollidieren zwei versetzt gegenüber auf dem Parkplatz eines Supermarktes abgestellte Pkws beim rückwärts Ausparken ist gemäß § 17 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) eine hälftige Schadensverteilung auch dann sachgerecht, wenn eines der beiden Fahrzeuge vor der Kollision bereits zum Stehen gekommen war.

Das hat das Amtsgericht (AG) Bochum mit Urteil vom 28.05.2015 – 83 C 9/15 – entschieden.

Begründet hat das AG Bochum seine Entscheidung damit, dass beim Zurücksetzen ihrer Fahrzeuge beide Fahrzeugführer besondere Vorsicht walten lassen, insbesondere jeweils auf andere auf dem Parkplatz fahrende und rangierende Fahrzeuge achten sowie gegebenenfalls von einem weiteren Heraussetzten absehen müssen und

  • ihre Sorgfaltspflicht nicht mit dem Abschluss des rückwärtigen Rangiervorgangs durch Anhalten endet,
  • sondern sie auch für das in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit ihrem Zurücksetzen stehende weitere Verkehrsgeschehen verantwortlich bleiben.

 

Für die Beachtung der Sorgfaltspflichten sowie den Verursachungsanteil mache es nämlich, wie das AG ausgeführt hat, keinen erheblichen Unterschied, welches der beiden Fahrzeuge vor der Kollision bereits zum Stehen gekommen war und welches sich noch in Bewegung befunden habe.

Anders zu beurteilen wäre die Verteilung der Haftung nach §§ 7, 18, 17 Abs. 1 StVG nur bzw. erst dann gewesen, wenn nachweisbar ein enger und räumlicher Zusammenhang zwischen dem Zurücksetzten des einen Fahrzeugs und der Kollision nicht mehr bestanden hätte, also eines der beiden Fahrzeuge vor der Kollision nachweisbar schon längere Zeit gestanden wäre.
In dem der Entscheidung des AG Bochum zugrunde liegendem Fall war das eine Fahrzeug aber nicht schon längere Zeit gestanden, sondern hatte dessen Fahrer vor der Kollision erst gerade angehalten und den Vorwärtsgang eingelegt.

 

Richterwechsel nach Schluss der mündlichen Verhandlung und vor Urteilsverkündung

Gemäß § 309 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Urteil nur von denjenigen Richtern gefällt werden, die an der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben. Scheidet einer der beteiligten Richter vor der Fällung des Urteils aus, ist gemäß § 156 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zwingend die Wiedereröffnung der Verhandlung anzuordnen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 01.03.2012 – III ZR 84/11 –).
Ein Verstoß gegen § 309 ZPO stellt einen absoluten Revisionsgrund i.S. von § 547 Nr. 1 ZPO sowie eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG)) dar (BGH, Urteil vom 11.09.2008 – I ZR 58/06 –).

Die endgültige Beratung und Abstimmung (Urteilsfällung) darf – wie sich auch aus § 309 ZPO erschließt – nicht vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung stattfinden.

Durch die Einräumung einer Schriftsatzfrist nach § 283 ZPO wird für die betroffene Partei der Schluss der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des zulässigen Erwiderungsvorbringens bis zum Ablauf der Frist verlängert. Folglich darf nach Gewährung eines Schriftsatznachlasses das Urteil nicht vor Ablauf der gesetzten Frist gefällt werden (BGH, Urteil vom 19.10.2004 – X ZR 98/03 –).
Scheidet ein an der mündlichen Verhandlung beteiligter Richter vor Fristablauf aus, muss die mündliche Verhandlung wieder eröffnet werden.

Dem nicht entgegen steht, dass die Entscheidung über die Wiedereröffnung einer mündlichen Verhandlung in analoger Anwendung von § 320 Abs. 4 Sätze 2 und 3 ZPO von den im Spruchkörper verbliebenen Richtern zu treffen ist, wenn nach dem Ausscheiden eines an Schlussverhandlung und Urteilsfällung beteiligten Richters vor der Verkündung des Urteils noch ein nicht nachgelassener Schriftsatz eingeht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 01.02.2002 – V ZR 357/00 –).
Denn vor Ablauf einer Schriftsatzfrist kann über das Urteil nicht abschließend befunden werden, da der nachgelassene Schriftsatz die zu treffende Entscheidung nach Maßgabe des § 283 ZPO inhaltlich beeinflussen kann, während einem ohne Schriftsatznachlass nachgereichten Schriftsatz eine vergleichbare Wirkung nicht zukommt. Dieser gibt lediglich Anlass, über die – vom Urteilsinhalt abgrenzbare – Frage zu entscheiden, ob die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen ist.

Darauf hat der II. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 21.04.2015 – II ZR 255/13 – hingewiesen.

 

Öffentliche Linienverkehrsbusse müssen „E-Scooter“ nicht mitnehmen

Betreiber eines öffentlichen Linienverkehrs mit Bussen sind nicht verpflichtet drei- oder vierrädrige E-Scooter zu befördern.

Das hat der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster mit Beschluss vom 15.06.2015 – 13 B 159/15 – in einem einstweiligem Verfügungsverfahren entschieden, in dem ein schwerstbehinderter Mann von den Betreibern eines öffentlichen Personennahverkehrs mit Bussen, mit der Begründung, dass dessen Einsatz seine Mobilität erhöhe, die Beförderung seines dreirädrigen E-Scooters verlangt hatte.

Das Begehren hatte keinen Erfolg, weil, wie das OVG ausführte, die Beförderung eines solchen E-Scooters bei gleichzeitiger Mitfahrt des Fahrgastes den Regelungen für die Beförderung von Sachen unterliegt und danach Sachen nur dann befördert werden, wenn dadurch die Betriebssicherheit und andere Fahrgäste nicht gefährdet werden können.
Durch die Beförderung des E-Scooters des Antragstellers könnten jedoch, wie die „Untersuchung möglicher Gefährdungspotentiale bei der Beförderung von Elektromobilen (E-Scootern) in Linienbussen“ einer sachverständigen Stelle ergeben habe, durchaus andere Fahrgäste gefährdet werden.
Danach sei bei der Beförderung von E-Scootern, da diese – anders als ein Rollstuhl – im Bus nicht fixiert werden können und quer zur Fahrtrichtung des Busses stehen, zu befürchten, dass sie infolge ihres Gewichts von 138 kg nicht erst bei einer Notbremsung, sondern schon bei geringeren Beschleunigungs- bzw. Verzögerungswerten kippen oder rutschen und dabei andere Fahrgäste verletzten können.

Das hat die Pressestelle des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen am 15.06.2015 mitgeteilt.

 

Körperliche Züchtigungen gefährden das Kindeswohl

Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung vom 02.11.2000 besteht gemäß § 1631 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ein Recht eines jeden Kindes auf eine uneingeschränkt gewaltfreie Erziehung.

Darauf und dass danach körperliche Bestrafungen in der Erziehung unzulässig sind hat der 9. Familiensenat des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg mit Beschlüssen vom 26.05.2015 – 9 UF 1549/14 – und 11.06.2015 – 9 UF 1430/14 – hingewiesen, mit denen er Entscheidungen des Amtsgerichts (AG) Ansbach, das zwei, der Glaubensgemeinschaft Zwölf Stämme angehörenden Elternpaaren, Teilbereiche der elterlichen Sorge, insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht, entzogen hatte, im Ergebnis bestätigt hat.

Nach der Überzeugung des Senats stand fest, dass die betroffenen Eltern aufgrund ihrer religiösen Überzeugung ihre Kinder, wie schon in der Vergangenheit, auch in Zukunft körperlich züchtigen würden, weil die Züchtigung mit einer Rute nach den Vorstellungen der Glaubensgemeinschaft, die die betroffenen Eltern teilten, unabdingbar zur Kindererziehung gehört.

Derartige körperliche Züchtigungen gefährden aber, wie der Senat ausführte, das Kindeswohl, wobei die Gefährdung des Wohls der Kinder

  • nicht erst darin liege, dass sie, beim Einsatz einer Rute körperliche Schmerzen erdulden müssten und die daraus resultierende Demütigung als psychischen Schmerz erfahren,
  • sondern bereits darin, dass die Kinder einer solchen Behandlung künftig wiederkehrend ausgesetzt seien, ständig mit der Verabreichung von Schlägen rechnen und daher in Angst davor leben müssten.

 

Deshalb komme es auch, wie vom Senat weiter ausgeführt wurde, nicht entscheidend auf den Eintritt länger andauernder physischer Verletzungen oder das Ausmaß psychischer Spätfolgen an und nachdem mildere Maßnahmen die Kinder nicht ausreichend geschützt hätten, sei die Trennung von den Eltern unverzichtbar.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Nürnberg am 15.06.2015 – 8/15 – mitgeteilt.

 

Mangelhafte Schwarzarbeit

Ist ein Werkvertrag wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung (SchwarzArbG) vom 23.07.2004 nichtig, steht dem Besteller der den Werklohn bereits gezahlt hat, gegen den Unternehmer auch dann kein Rückzahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung zu, wenn die Werkleistung mangelhaft ist.

Das hat der u.a. für das Bauvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 11.06.2015 – VII ZR 216/14 – in einem Fall entschieden,

  • in dem der Kläger den Beklagten mit Dachausbauarbeiten beauftragt hatte,
  • dafür zwischen den Parteien ein Werklohn von 10.000 € ohne Umsatzsteuer vereinbart worden war und

 

der Kläger, nach Ausführung der Arbeiten sowie Zahlung der vom Beklagten ohne Steuerausweis gestellten Rechnung, Rückzahlung von 8.300 € wegen Mängeln der Werkleistung verlangt hatte.

Die Klage wurde vom VII. Zivilsenat des BGH abgewiesen.

Danach bestehen in Fällen, in denen wie hier, der Unternehmer bewusst gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstößt, indem er mit dem Besteller, der dies auch zu seinem Vorteil ausnutzt, vereinbart, dass für den Werklohn keine Rechnung mit Steuerausweis gestellt und keine Umsatzsteuer gezahlt werden soll,

  • nicht nur weder Mängelansprüche des Bestellers noch Zahlungsansprüche des Werkunternehmers (BGH, Urteile vom 01.08.2013 – VII ZR 6/13 – und vom 10.04.2014 – VII ZR 241/13 –), sondern
  • auch keine Ansprüche des Bestellers auf Ausgleich der Bereicherung des Unternehmers, die darin bestehen, dass er für die mangelhafte Werkleistung zu viel bezahlt hat.

 

Zwar könne, wie der Senat ausgeführt hat, ein Besteller, der aufgrund eines nichtigen Vertrags Leistungen erbracht hat, von dem Unternehmer grundsätzlich die Herausgabe dieser Leistungen verlangen.
Dies gelte jedoch gem. § 817 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht, wenn der Besteller mit seiner Leistung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat, was hier der Fall gewesen sei.
Entsprechend der Zielsetzung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes, die Schwarzarbeit zu verhindern, verstoße nicht nur die vertragliche Vereinbarung der Parteien gegen ein gesetzliches Verbot, sondern auch die in Ausführung dieser Vereinbarung erfolgende Leistung, somit auch die Zahlung.
Die Grundsätze von Treu und Glauben, so der Senat, stünden der Anwendung des § 817 Satz 2 BGB nicht entgegen. Die Durchsetzung der vom Gesetzgeber mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verfolgten Ziele, die Schwarzarbeit effektiv einzudämmen, erfordere eine strikte Anwendung dieser Vorschrift.
Insoweit sei eine andere Sicht geboten, als sie vom Senat noch zum Bereicherungsanspruch nach einer Schwarzarbeiterleistung vertreten wurde, die nach der alten Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit zu beurteilen war (BGH, Urteil vom 31.05.1990 – VII ZR 336/89 –).

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 15.06.2015 – Nr. 95/2015 – mitgeteilt.

 

Strafrahmenbestimmung bei Verurteilung

Ist ein vertypter Milderungsgrund, wie beispielsweise nach den §§ 21, 49 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) bei erheblich verminderter Schuldfähigkeit eines Täters gegeben, muss, wenn das Gesetz bei der von dem Täter begangenen Tat einen minder schweren Fall vorsieht, wie beispielsweise bei der gefährlichen Körperverletzung (vgl. § 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB) zunächst geprüft werden, ob ein solcher minder schwerer Fall vorliegt.

  • Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zuerst auf die allgemeinen Milderungsgründe abzustellen.
    Vermögen diese die Annahme eines minder schweren Falles allein zu tragen, stehen die den vertypten Milderungsgrund verwirklichenden Umstände für eine weitere Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung.
  • Ist dagegen nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, sind zusätzlich die den vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die Bewertung einzubeziehen.
  • Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den allein aufgrund des vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 28.02.2013 – 4 StR 430/12 – sowie Beschlüsse vom 08.07.2014 – 3 StR 287/14 – und vom 19.11.2013 – 2 StR 494/13 –).

 

Wird dies nicht beachtet, kann das Urteil hinsichtlich der verhängten Strafe in der Regel erfolgreich mit der Revision angefochten werden, weil dann ein Erörterungsmangel vorliegt, der sich bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben kann.

Darauf hat der 2. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 09.04.2015 – 2 StR 39/15 – hingewiesen.

Anmerkung:
Die Strafrahmen für die gefährliche Körperverletzung betragen

  • nach § 224 Abs. 1 Halbsatz 1 StGB für den Regelfall Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren und
  • nach § 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB für den minder schweren Fall Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

 

Im Falle der Milderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 StGB ergäbe sich,

  • bei einer Milderung des Regelstrafrahmen ein Strafrahmen von einem Monat (vgl. § 38 Abs. 2 StGB) bis zu sieben Jahren sechs Monaten Freiheitsstrafe und
  • bei einer Milderung des Strafrahmen für den minder schweren Fall ein Strafrahmen von einem Monat (vgl. § 38 Abs. 2 StGB) bis zu 3 Jahren 9 Monaten Freiheitsstrafe.

 

Daran sieht man, wie groß die Unterschiede zwischen den Mindest- und den Höchststrafen bei den verschiedenen in Betracht kommenden Strafrahmen sein können.

 

Verstoß gegen eine befristete Gewaltschutzanordnung

Der Verstoß gegen ein befristetes Unterlassungsgebot nach § 1 des Gesetzes zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz – GewSchG) kann auch noch nach Fristende durch Verhängung eines Ordnungsgeldes geahndet werden, sofern der Verstoß innerhalb der Verbotsfrist erfolgt ist.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, Senat für Familiensachen, mit Beschluss vom 01.06.2015 – 20 WF 35/15 – in einem Fall entschieden,

  • in dem dem Antragsgegner mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – im Wege der einstweiligen Anordnung befristet bis 24.12.2014 untersagt worden war, sich in einem Umkreis von 100 m um die Wohnung des Antragstellers ohne vorherige Zustimmung aufzuhalten,
  • der Antragsgegner am 20.10.2014 gegen diese Weisung schuldhaft verstoßen hatte und
  • deswegen auf den Bestrafungsantrag des Antragstellers vom 21.10.2014 mit Beschluss des Gerichts vom 13.2.2015 gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld verhängt worden war.

 

Nach dieser Entscheidung soll der Verhängung eines Ordnungsmittels nicht entgegen stehen, dass das gegen den Antragsgegner ausgesprochene Verbot befristet war bis 24.12.2014 und somit bei Verhängung des Ordnungsmittels durch Beschluss des Amtsgerichts am 13.2.2015 nicht mehr wirksam war (so auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 20.10.1995, 3 W 2862/95 – ).
Vielmehr soll es im Hinblick auf den dem Ordnungsmittel beizumessenden auch repressiven Charakter geboten sein, stattgefundene Verstöße auch dann zu ahnden, wenn das Unterlassungsgebot inzwischen durch Zeitablauf geendet hat ( a.A. OLG Celle, Beschluss vom 21.01.2013 – 21 WF 318/12 – danach sollen nach Fristende eines befristeten Unterlassungstitels Ordnungsmittel nicht mehr verhängt werden dürfen, selbst wenn die Zuwiderhandlung noch innerhalb des Gültigkeitszeitraums des Unterlassungstitels erfolgt ist).

 

Zivilrechtliche Folgen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort

Wer unerlaubt nach einem Unfall die Unfallstelle verlässt, muss jedenfalls teilweise der Haftpflicht-Versicherung den bereits regulierten Schaden ersetzen.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 06.03.2015 – 343 C 9528/14 – in einem Fall hingewiesen,

  • in dem eine Versicherung (im Folgenden Klägerin genannt) einen ihren Versicherungsnehmer (im Folgenden Beklagter genannt) auf Rückzahlung von 5000 Euro verklagt hatte,
  • nachdem dieser mit seinem bei ihr haftpflichtversicherten Pkw einen Fremdschaden in Höhe von 21.350 Euro verursacht, die Unfallstelle anschließend, ohne nähere Feststellungen zu treffen oder die Polizei zu rufen, verlassen hatte, deshalb auch wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt worden und der von ihm verursachte Fremdsachschaden von der Klägerin reguliert worden war.

 

Die Klage hatte Erfolg. Das AG München verurteilte den Beklagten zur Rückzahlung der 5000 Euro.

Denn,

  • wer sich nach einem Unfall unerlaubt von der Unfalle entfernt, macht sich nicht nur strafbar, sondern verletzt auch seine Obliegenheitspflichten aus dem Versicherungsvertrag,
  • mit der Folge, dass nach den Versicherungsbedingungen die Versicherung von ihrer Leistungspflicht bis zur Höchstgrenze von 5000 Euro gegenüber dem Versicherungskunden frei wird,
  • sofern dieser nicht nachweist, dass die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Versicherung ursächlich war. 

 

Vorliegend war Grund für die Verurteilung des Beklagten, dass dieser sich möglicherweise deshalb von der Unfallstelle entfernt hatte, weil er alkoholisiert gewesen sein könnte und in einem solchen Fall, d.h., wenn der Beklagte den Unfall in alkoholisiertem Zustand verursacht hätte, hätte die Klägerin wegen der Alkoholisierung einen Regressanspruch gegen den Beklagten gehabt.
Nachdem der Beklagte erst einen Tag nach dem Unfall bei der Polizei vorstellig geworden war, konnten aber im Nachhinein keine Feststellungen mehr zu seiner Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt getroffen werden und zu beweisen, dass er zum Unfallzeitpunkt tatsächlich nicht alkoholisiert war, war dem Beklagten nicht gelungen.
Es waren nämlich Unklarheiten zur seiner Alkoholisierung verblieben und diese gehen in einem solchen Fall zu seinen lasten.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 12.06.2015 mitgeteilt. 

 

Sachbeschädigung durch Graffiti

Nach Ansicht der 4. Strafkammer des Landgerichts (LG) Potsdam (vgl. Beschluss vom 02.06.2015 – 24 Qs 110/14 –), soll, weil in der Graffiti-Szene die Regel gilt, dass ein Tag-Schriftzug nur von einem Graffiti-Sprüher benutzt wird und daher individuell zugeordnet werden kann,

  • ein Tag-Schriftzug einen ähnlichen Beweiswert haben wie eine individuelle Unterschrift und
  • ein Tag, wenn er sich – etwa aus früheren Verfahren – einem bestimmten Sprayer zuordnen lässt, diesem Sprayer auch in weiteren Fällen zugeordnet werden können, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dieser Tag auch von einem anderen Sprayer verwendet wird oder dass der Tag verkauft worden ist (a. A. LG Offenburg, Beschluss vom 15.01.2002 – 8 KLs 5 Js 11475/99 – wonach dem Tag für die Frage der Täterschaft lediglich eine – allerdings erhebliche – Indizwirkung zukommen soll).

 

Zur Begründung ihrer Entscheidung hat die 4. Strafkammer des LG Potsdam sich auf die im Internet nachzulesenden Gepflogenheiten in Graffiti-Kreisen gestützt.
Danach sei das „Tag“ im Graffiti-Jargon ein Signaturkürzel des Graffiti-Sprühers und sein Pseudonym; es werde häufig als Unterschrift verwendet, aber auch als territoriale Markierung mit dem Ziel, den eigenen Style zu präsentieren und in einem bestimmten Gebiet besonders präsent zu sein und so Bekanntheit (Fame) zu erreichen (vgl. Wikipedia-Eintrag zum Graffiti-Jargon).
Einen guten, möglichst einzigartigen Style zu erreichen gelte in Graffiti-Kreisen als erstrebenswert.
So heiße es auf dem Graffiti-Portal:
„[…] Tags weisen auf die Individualität von Menschen hin. Es ist ein Ausdruck von Selbstwertgefühl und Urheberschaft, wie auch eine Art Gütezeichen.“
„Tags […] werden ständig wiederholt und daher von ihren Urhebern ´blind´ beherrscht. Sie dienen dazu, ein Territorium zu markieren und anderen Taggern zu signalisieren: hier war ich.“
Den Tag einer anderen Person zu verwenden sei in Graffiti-Kreisen verpönt. So werde angehenden Graffiti-Sprühern empfohlen, vor der Auswahl des Tag sicherzustellen, dass dieser nicht schon von jemand anderem genutzt wird und sich gegebenenfalls einen anderen Tag zu überlegen, da es „großen Ärger“ nach sich ziehen kann, wenn man mit einem Tag malt, der schon vergeben ist (vgl. Graffiti taggen).

 

Filesharing

Eltern, die Inhaber eines Internetanschlusses sind und deren Internetanschluss auch von ihren minderjährigen Kindern genutzt wird, haften, wenn ihre minderjährigen Kinder Musikdateien zum Herunterladen verfügbar machen, wegen einer solchen Urheberechtsverletzung nicht automatisch auf Schadensersatz und Ersatz von Abmahnkosten.

Darauf hat der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 7/14 – hingewiesen und damit seine bisherige Rechtsprechung bestätigt (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12 –).

Danach sind Eltern für durch solche Verletzungshandlungen eines minderjährigen Kindes verursachte Schäden gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur dann verantwortlich, wenn sie ihre Aufsichtsplicht verletzt haben und

  • Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch,
  • dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten.

 

Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht.
Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern vielmehr erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH, Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12 –).

In dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegendem Fall, in dem von der 16-jährigen Tochter eingeräumt worden war, die Musikdateien heruntergeladen zu haben, wurden die Eltern nur deshalb zum Schadensersatz in Höhe von 200 € für jeden von der Tochter heruntergeladenen Musiktitel sowie zur Zahlung der auf der Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes berechneten Abmahnkosten verurteilt, weil nicht erwiesen war, dass die Eltern ihre Tochter über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt und ihr eine Teilnahme daran verboten hatten.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 11.06.2015 – Nr. 92/2015 – mitgeteilt.