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Einspruch gegen Bußgeldbescheid – Wann wird ein zulässiger Einspruch vom Amtsgericht ohne Verhandlung zur Sache verworfen?

Hat ein Betroffener gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt und das Amtsgericht eine Hauptverhandlung anberaumt ist der Betroffene zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet (§ 73 Abs. 1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)).
Eine Vertretung des Betroffenen durch den Verteidiger ist nur unter den in § 73 Abs. 3 OWiG genannten Voraussetzungen zulässig, nämlich wenn das Gericht den Betroffenen zuvor von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden hat.
Entbunden von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nach § 73 Abs. 2 OWiG wird ein Betroffener auf seinen Antrag, wenn er sich geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist.

Kann auf die Anwesenheit eines Betroffenen zur Sachaufklärung nicht verzichtet werden und ist deshalb eine von ihm beantragte Entbindung vom persönlichen Erscheinen vom Amtsgericht abgelehnt worden, hat das Amtsgericht, wenn der Betroffene dennoch ohne Entschuldigung der Hauptverhandlung fernbleibt, seinen Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil verwerfen und zwar auch dann, wenn für den Betroffenen ein Verteidiger erschienen ist.
Art. 6 Abs. 3 lit c der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) hindert die Einspruchsverwerfung nicht, weil § 74 Abs. 2 OWiG nicht entgegen seinem eindeutigen Wortlaut ausgelegt werden kann (vgl. zur Regelung des § 329 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) nur: Oberlandesgericht (OLG) Celle, Beschluss vom 19.03.2013 – 32 Ss 29/13 –; OLG München, Beschluss vom 17.01.2013 – 4 StRR (A) 18/12 –).

Darauf hat der Bußgeldsenat des OLG Dresden mit Beschluss vom 07.03.2014 – 23 Ss 56/14 (Z) – hingewiesen.

 

Trittschallschutz im Wohnungseigentum bei Wechsel des Bodenbelags – Parkettboden statt Teppichboden?

Lässt der Erwerber einer Eigentumswohnung den bei Erwerb in seiner Wohnung vorhandenen Teppichboden entfernen und stattdessen Parkettboden einbauen, kann dann wegen des von dem Parkettboden stammenden Trittschalls der Eigentümer der im Stockwerk darunter gelegenen Wohnung gegen ihn einen Anspruch aus § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) i.V.m. § 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz – WEG) haben, dass er den Parkettboden wieder entfernt und einen anderen Bodenbelag mit besserer Trittschalldämmung verlegt?

Das kommt darauf an.

Die Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander beurteilen sich allgemein auch im Hinblick auf den Schallschutz nach § 14 Nr. 1 WEG.
Nach dieser Vorschrift ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwächst.

Wann im Hinblick auf den Trittschall in einer Wohnung einer WEG-Anlage ein solcher über das unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG anzunehmen ist, bestimmt sich

  • vorrangig nach den Regelungen in der Teilungserklärung bzw.
  • später getroffenen Vereinbarungen der Wohnungseigentümer.

Ergeben sich aber aus der Teilungserklärung keine näheren Regelungen zum maßgeblichen Trittschallniveau bzw. zum Bodenbelag in den Appartements, in denen ein Wohnungserbbaurecht besteht und haben die Wohnungserbbauberechtigten auch später keine Vereinbarung im Hinblick auf den Trittschallschutz bzw. den für den Trittschall maßgeblichen Bodenbelag in den Wohnungen getroffen, ist für den im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander maßgeblichen Trittschallwert

In diesem Fall kommt es darauf an, ob, was durch eine Trittschallmessung festzustellen ist, die nach der DIN 4109 bei Errichtung des Gebäudes geltende dB-Trittschallgrenze durch den Parkettboden eingehalten wird.    

Ein höheres Trittschallniveau kann nur dann maßgebend sein,

  • sofern sich aus der Gemeinschaftsordnung Regelungen zum Schallschutz ergeben oder
  • die Wohnungseigentumsanlage aufgrund tatsächlicher Umstände wie beispielsweise der bei der Errichtung vorhandenen Ausstattung oder aber des Wohnumfelds ein besonderes Gepräge erhalten hat.

War die Wohnungseigentumsanlage ursprünglich durch ein höheres Trittschallniveau als den nach der DIN 4109 vorgegebenen Mindeststandard geprägt, kann es allerdings sein, dass dieses ursprünglich besondere Gepräge durch die bei Errichtung vorhandene Ausstattung der Wohnungseigentumsanlage nicht mehr fortbesteht, was insbesondere nach einem längeren Zeitablauf in Betracht kommen kann.

Auch ist das höhere Trittschallniveau aufgrund eines besonderen Gepräges einer Wohnungseigentumsanlage im Verhältnis zu Wohnungseigentümern, die später Eigentum erworben haben, nur dann maßgeblich wenn die zugrunde liegenden Umstände für diese beim Erwerb erkennbar waren.

Darauf hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Itzehoe mit Urteil vom 18.03.2014 – 11 S 101/12 – hingewiesen.

 

Wenn nach dem Tod eines Erblassers über dessen Testierfähigkeit bei Abfassung des Testaments gestritten wird.

Gemäß § 2229 Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störungen der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht dazu in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Maßgebend ist die Fähigkeit des Testierenden, die Bedeutung seiner letztwilligen Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Willensentschließung von eigenständigen Erwägungen leiten zu lassen (Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Beschluss vom 01.06.2012 – I-3 Wx 273/11 –).

  • Entsprechend dem Grundsatz, dass die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, ist ein Erblasser solange als testierfähig anzusehen, als nicht die Testierunfähigkeit zur Gewissheit des Gerichts nachgewiesen ist.
  • Die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit eines Erblassers trifft deshalb grundsätzlich denjenigen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments beruft.
     

Im Erbscheinsverfahren verlangt die Klärung der im wesentlichen auf dem Gebiet des Tatsächlichen angesiedelten Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit eines Erblassers gegeben waren, vom Gericht, die konkreten auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers aufzuklären und sich Klarheit über den medizinischen Befund zu schaffen sowie die hieraus zu ziehenden Schlüsse zu überprüfen.
Ergeben sich aus objektivierbaren Tatsachen oder Hilfstatsachen herzuleitende Zweifel an der Testierfähigkeit bei Testamentserrichtung, sind diese regelmäßig durch Gutachten eines psychiatrischen oder nervenärztlichen Sachverständigen zu klären.

Darauf hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) mit Beschluss vom 20.03.2014 – 3 W 62/13 – hingewiesen.

 

Kollision zwischen einem auf der Vorfahrtstraße fahrenden PKW, der nach rechts blinkt, dann aber weiter geradeaus fährt, und dem nach links auf die Vorfahrtstraße auffahrenden Wartepflichtigen – Haftungsverteilung?

Ein Wartepflichtiger darf nur dann auf ein Abbiegen vertrauen darf, wenn über das bloße Betätigen des Blinkers hinaus in Würdigung der Gesamtumstände,

  • sei es durch eine eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit, wie etwa ein regelmäßig Abbiegevorgängen vorausgehendes Abbremsen des Vorfahrtberechtigten oder
  • aber einen zweifelsfreien Beginn des Abbiegemanövers

eine zusätzliche tatsächliche Vertrauensgrundlage geschaffen worden ist, die es im Einzelfall rechtfertigt, davon auszugehen, das Vorrecht werde nicht (mehr) ausgeübt (so der überwiegende Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung u. a. Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken, Urteil vom 11.03.2008 – 4 U 228/07 –).
Der Wartepflichtige darf also niemals „blindlings“ auf das Abbiegen des Blinkenden vertrauen.
Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 Straßenverkehrsordnung (StVO) darf der Wartepflichtige nur dann in die Vorfahrtstraße einfahren, wenn er übersehen kann, dass er den, der die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert.

Den Wartepflichtigen trifft insoweit eine gesteigerte Sorgfalt, die bedingt, dass er

  • auch mit einem verkehrswidrigen Verhalten des Vorfahrtberechtigten rechnen muss und
  • somit regelmäßig nur auf das Unterbleiben atypischer, grober Verstöße des Vorfahrtberechtigten vertrauen darf.

Das Zurückstellen des Blinkers unterbleibt nicht selten aus Unaufmerksamkeit. Auch wird mitunter fälschlich von einem in Wirklichkeit nicht vorliegenden automatischen Zurücksetzen ausgegangen. Das Blinken allein ist zumal angesichts der in solchen Fällen evidenten Gefahrensituation (oftmals hohe Kollisionsgeschwindigkeiten) deshalb allein noch keine ausreichende Grundlage, um auf ein tatsächliches Abbiegen des Vorfahrtberechtigten vertrauen zu können.
Ein besonnen und vorausschauend agierender Verkehrsteilnehmer muss sich deshalb anhand weiterer Umstände vergewissern, ob tatsächlich ein Abbiegen bevorsteht.

Es ist Sache des Wartepflichtigen, diejenigen Umstände darzulegen und zu beweisen, die dafür sprechen, dass er auf ein Abbiegen und damit verbundenen Vorfahrtverzicht vertrauen durfte.
Sind solche Umstände nicht vorhanden, wiegt der Vorfahrtverstoß regelmäßig schwerer als das missverständliche Blinken des Vorfahrtsberechtigten, so dass in solchen Fällen der Haftungsanteil des Wartepflichtigen regelmäßig überwiegt, der allein auf das Blinken vertraut (OLG Hamm, Urteil vom 11.03.2003 – 9 U 169/02 –).

Darauf hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden mit Beschluss vom 24.04.2014 – 7 U 1501/13 – hingewiesen.

 

Strafbefehl gegen einen der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten – Zustellung der schriftlichen Übersetzung Voraussetzung für den Lauf der Einspruchsfrist.

Nach § 407 Abs. 1 S. 1 Strafprozessordnung (StPO) können im Verfahren vor dem Strafrichter und im Verfahren, das zur Zuständigkeit des Schöffengerichts gehört, bei Vergehen auf schriftlichen Antrag der Staatsanwaltschaft die Rechtsfolgen der Tat durch schriftlichen Strafbefehl ohne Hauptverhandlung festgesetzt werden.
Erlässt das Amtsgericht einen von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehl gegen einen Angeklagten kann nach § 410 Abs. 1 S. 1 StPO gegen den Strafbefehl innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Strafbefehls bei dem Gericht, das den Strafbefehl erlassen hat, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch eingelegt werden.

Voraussetzung für den Lauf der Einspruchsfrist ist eine wirksame Zustellung des Strafbefehls.
Der Strafbefehl ist an den Angeklagten, für ihn an den Verteidiger oder an den Zustellungsbevollmächtigten gemäß § 35 Abs. 2 S. 1 StPO förmlich zuzustellen. Zustellung ist der in gesetzlicher Form (§§ 37 – 41 StPO) zu bewirkende Akt, durch den dem Adressaten Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstücks verschafft wird.

Ist ein Angeklagter gegen den ein Strafbefehl erlassen wird der deutschen Sprache nicht mächtig ist ihm in analoger Anwendung des § 37 Abs. 3 StPO der Strafbefehl zusammen mit der Übersetzung zuzustellen, wenn ihm nach § 187 Abs. 1 und 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) eine Übersetzung des Strafbefehls zur Verfügung zu stellen ist.
In diesem Falle beginnt nach § 37 Abs. 3 StPO die Einspruchsfrist nicht vor Zustellung der schriftlichen Übersetzung zu laufen; eine Zustellung ohne schriftliche Übersetzung ist unwirksam.
Der Mangel der unwirksamen Zustellung wird durch nachträgliche Zustellung der schriftlichen Übersetzung behoben mit der Folge des Beginns des Fristenlaufs.

Da aus § 187 Abs. 2 S. 1 GVG zugleich die Pflicht zur Übersetzung der (sowieso zum Inhalt des Strafbefehls rechnenden, § 409 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 StPO) Rechtsmittelbelehrung folgt, ist auch diese zugleich zuzustellen (für den Fall eines (Berufungs-) Urteils vgl. Oberlandesgericht (OLG) München, Beschluss vom 18.11.2013 – 4 StRR 120/13 –).

Auch bei Vorliegen einer (wirksamen) Zustellungsbevollmächtigung (§ 37 Abs. 1 StPO i. V. m. § 171 Zivilprozessordnung (ZPO) bzw. § 132 Abs. 2 StPO) ist der Strafbefehl zusammen mit der Übersetzung zuzustellen. Denn der Bevollmächtigte tritt in Bezug auf Zustellungen an die Stelle des Beschuldigten.

Das hat die 7. Große Strafkammer des Landgerichts (LG) Stuttgart mit Beschluss vom 12.05.2014 – 7 Qs 18/14 – entschieden.

 

Bahnhofsbetreiber müssen an allen Bahnhöfen Fahrgäste über Zugausfälle und Verspätungen informieren.

Der 16. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 16.05.2014 – 16 A 494/13 – entschieden, dass auf allen Bahnhöfen und Stationen Fahrgäste über Zugausfälle und Verspätungen „aktiv“ zu informieren sind. Es ist nicht ausreichend, wenn Aushänge auf die Telefonnummer einer Service-Hotline hinweisen.

Eine entsprechende Anordnung hatte das Eisenbahnbundesamt gegenüber der Klägerin, die ungefähr 5.500 Bahnhöfe und Stationen betreibt, erlassen.

Die dagegen gerichtete Klage blieb in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht (VG) ohne Erfolg.

Der 16. Senat des OVG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung gegen dieses Urteil zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass die Pflicht zur Information an Bahnhöfen aus Art. 18 Abs. 1 der Fahrgastrechte-Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 folge.
Danach seien die Fahrgäste über Verspätungen „zu unterrichten“ und nicht lediglich darüber zu informieren, wo die Informationen für sie bereitgestellt würden.
Die Informationspflicht bestehe nicht nur im Rahmen vorhandener Ressourcen. Gegebenenfalls habe die Klägerin Investitionen zu tätigen, um ihrer Informationspflicht nachzukommen.

Das, sowie dass gegen die Entscheidung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zugelassen wurde, hat die Pressestelle des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen am 16.05.2014 mitgeteilt.

 

Wann haftet der Wasserversorger für Wasserschäden beim Kunden?

Ein Wasserversorgungsunternehmen ist zur ordnungsgemäßen Unterhaltung einer Frischwasserzuleitung beim Abnehmer bis zur Wasseruhr verpflichtet.
Kommt es dieser Verpflichtung nicht nach und wird hierdurch im Bereich vor der Wasseruhr ein Schaden verursacht, ist der Versorger auch dann verantwortlich, wenn sich die Schadstelle innerhalb des Anwesens des Geschädigten befindet.

Darauf hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz mit Urteil 17.04.2014 – 1 U 1281/12 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall machte die Klägerin Schadensersatzansprüche wegen eines Wasserschadens in der Garage ihres Anwesens geltend, nachdem es dort – während eines längeren Aufenthalts im Ausland – an einem korrodierten Rohr der Frischwasserleitung zum Wasseraustritt gekommen war.
Die Frischwasserleitung zum Haus der Klägerin, das an das Wasserversorgungssystem des Beklagten angeschlossen ist, verläuft unterirdisch bis zur Garage, wird dort senkrecht nach oben geführt und verlässt dort das Erdreich. Die schadensauslösende Leckage an der Frischwasserzuleitung lag oberhalb des Garagenbodens aber vor der Wasseruhr.

Das Landgericht (LG) wies die Klage ab.

Auf die Berufung der Klägerin hat der 1. Zivilsenat des OLG Koblenz eine Haftung des beklagten Wasserversorgungszweckverbandes dem Grunde nach festgestellt und den Rechtsstreit zur Entscheidung über die Höhe der Klageforderung an das LG zurückverwiesen.

Danach kann die Klägerin von dem beklagten Wasserversorgungszweckverband auf vertraglicher Grundlage Ersatz für die durch die Schadstelle in der Frischwasserleitung verursachten Schäden an ihrem Eigentum gem. §§ 280, 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) verlangen, weil der beklagte Verband seinen Verpflichtungen aus § 10 Abs. 3 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die  Versorgung mit Wasser ( AVBWasserV) nicht nachgekommen ist und diese verletzt hat.

Die Stelle, die ursächlich für den Wasseraustritt war, befand sich im Bereich oberhalb des Garagenbodens, aber vor der Wasseruhr und demnach in dem Leitungsteil für den dieser nach § 10  AVBWasserV verantwortlich zeichnet.
Nach dieser Bestimmung, die nach § 1 AVBWasserV Vertragsbestandteil geworden ist, stehen Hausanschlüsse zum einen im ausschließlichen Eigentum des Wasserversorgungsunternehmens (Beklagter) und dieses hat die Hausanschlüsse herzustellen, zu unterhalten und ggfls. zu erneuern.
Der erforderlichen Kontroll- und Unterhaltungspflicht ist der beklagte Verband im vorliegenden Fall nicht in ausreichendem Maße nachgekommen.
Zumindest bei einem regelmäßig stattfindenden Austausch der Wasseruhr hätte die zuführende Frischwasserleitung von einem Mitarbeiter des Verbandes auf ihre Schadhaftigkeit kontrolliert werden können und müssen.
Die haftungsrechtliche Verantwortung des Verbandes ende erst hinter der Messeinrichtung.
Im Bereich vor der Wasseruhr treffe ihn die ausschließliche Verantwortung, so dass der Klägerin kein Mitverschulden wegen unterlassener eigener Kontrolle vorgeworfen werden könne.

Neben diesem aus Vertrag sich ableitenden Ersatzanspruch steht der Klägerin auch ein solcher aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Haftpflichtgesetz (HaftpflG) zu.
Die Schadstelle liegt im Bereich des sog. Grundstücksanschlusses (Hausanschlusses), der insgesamt (vgl. § 10 Abs. 3 i.V.m. § 35 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV)) im Eigentum des Beklagten und in seiner ausschließlichen Herstellungs-, Erneuerungs-, Änderungs-, Unterhaltungs- und Beseitigungspflicht steht.
Für den gesamten Bereich des Grundstücksanschlusses ist der Beklagte als Inhaber der Rohrleitungsanlage i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz HaftPflG anzusehen, auch soweit die Anschlussleitung die Grenze zum Privatgrundstück überschreitet und in das Hausanwesen der Anschlussnehmer eingeführt wird und dort weiter verläuft (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 01.02.2007 – III ZR 289/06 –).
Die haftungsrechtliche Verantwortung des Beklagten endet und diejenige der Anschlussnehmer beginnt dann erst an der Übergabestelle zur Kundenanlage, also hier hinter der Messeinrichtung.

Die Ersatzpflicht des Beklagten sei auch nicht nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 1. Alt. HaftPflG kraft Gesetzes ausgeschlossen, weil die vorliegende Schadensursache (noch) dem Bereich der Außenanlage und damit der Haftungsverantwortung der Beklagten zuzuordnen ist.
Der streitgegenständliche Wasserschaden ist zwar innerhalb eines Gebäudes entstanden; er ist aber nicht auf eine darin befindliche Wasserversorgungsanlage i.S.d. § 2 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 HaftPflG (Innenanlage) zurückzuführen (BGH, Urteil vom 04.12.2001 – VI ZR 447/00 –). 

 

Forderung – Verjährung bei Gläubigerwechsel.

Ist der Verjährungsbeginn kenntnisabhängig, kommt es für Beginn und Lauf der Verjährung im Falle des Gläubigerwechsels – gleich aus welchem Rechtsgrund – zunächst auf den Kenntnisstand des ursprünglichen Gläubigers an.
Hatte dieser die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis, geht der Anspruch so, d.h. mit in Gang gesetzter Verjährung auf den Rechtsnachfolger über, selbst wenn dieser die Kenntnis nicht mit oder erst nach dem Übergang des Anspruchs auf ihn erhält.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 30.04.2014 – IV ZR 30/13 – hingewiesen.

Nur wenn der Kenntnisstand des Rechtsvorgängers nicht geeignet war, die Verjährung in Lauf zu setzen, ist auf den Rechtsnachfolger abzustellen.
Ein Rechtsnachfolger erwirbt die der Verjährung unterliegende Forderung mithin in dem Zustand, in dem sie sich im Zeitpunkt des Rechtsübergangs befindet, d.h. bereits verjährt, mit laufender Verjährung oder mit noch nicht begonnener Verjährung.

 

Auch unentgeltliche Nachbarschaftshilfe kann zur Haftung führen.

Wer es auf Bitten eines Nachbarn übernimmt, die Montage einer Außenbeleuchtung und deren Verkabelung zu übernehmen, kann nicht ohne weiteres davon ausgehen, alleine wegen der Unentgeltlichkeit der Gefälligkeit von der Haftung befreit zu sein, sollte es wegen fehlerhafter Arbeiten zu Personenschäden kommen.
Löst eine derartige unentgeltliche Nachbarschaftshilfe Haftungsansprüche aus, kann sich die Haftung auch auf Schäden Dritter erstrecken, die für den Helfer erkennbar mit der Lampe in Berührung kommen sollten.

Darauf hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz mit Urteil vom 02.04.2014 – 5 U 311/12 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger – Mitarbeiter eines mit der Durchführung von Fassadenarbeiten beauftragten Unternehmens –  bei der Durchführung der Arbeiten gegen das stromführende Gehäuse einer Außenlampe im Eingangsbereich des eingerüsteten Anwesens gestoßen. Infolge des Stromschlags erlitt er einen hypoxischen Hirnschaden. Er ist seitdem zu 100 % behindert und umfassend pflegebedürftig.
Die Außenlampe war von einem Nachbarn unentgeltlich auf Bitte der im Haus wohnenden Vermieterin des Anwesens installiert worden.
Von dem Nachbarschaftshelfer verlangte der Kläger u. a. mindestens 600.000 € Schmerzensgeld.

Der 5. Zivilsenat des OLG Koblenz hat in seinem Urteil die Verpflichtung des beklagten Nachbarschaftshelfers zum Ersatz der geltend gemachten Zahlungsansprüche dem Grunde nach festgestellt und die Sache zur Verhandlung über die Höhe der Ansprüche an das Landgericht zurückverwiesen.

Danach schuldet der beklagte Nachbarschaftshelfer dem Kläger Schadensersatz wegen Schlechterfüllung der Vereinbarung mit der Vermieterin, die neue Außenlampe sachgemäß zu befestigen, zu verdrahten und betriebssicher zur Verfügung zu stellen (§§ 241, 249, 253, 276, 280 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB )), weil der Kläger in den Schutzbereich dieser Vereinbarung als Dritter einbezogen war und ihm daher ein vertraglicher Schadensersatzanspruch wegen Schlechterfüllung zusteht (§§ 280 Abs. 1 Satz 1, 328 BGB).

Auch wenn es sich bei der Montage und der Verkabelung der Außenlampe um eine bloße unentgeltliche Gefälligkeit aus nachbarschaftlicher Verbundenheit gehandelt habe, könne der Nachbarschaftshelfer für Versäumnisse und Fehler haften.
Ob Gefälligkeitshandlungen rechtsgeschäftlicher Natur sind und gegebenenfalls zur Haftung des Schuldners bei Schlechterfüllung führen können, richte sich nicht nach dem inneren Willen des Leistenden, hier des Beklagten, sondern danach, ob der Leistungsempfänger (hier: die Vermieterin) aus dem Handeln des Leistenden unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen durfte (sogenannter subjektiver Ansatz).
Es komme also darauf an, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln des Leistenden darstelle.
Art der Gefälligkeit, ihr Grund und Zweck, ihre wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung, insbesondere für den Empfänger, die Umstände, unter denen sie erwiesen werde, und die dabei bestehende Interessenlage der Parteien können die Gefälligkeit über den Bereich rein tatsächlicher Vorgänge hinausheben und sind daher für die Beurteilung der Frage des Bindungswillens und der Natur des etwa in Betracht kommenden Rechtsgeschäftes heranzuziehen.
Der Wert einer anvertrauten Sache, die wirtschaftliche Bedeutung einer Angelegenheit, das erkennbare Interesse des Begünstigten und die nicht ihm, wohl aber dem Leistenden erkennbare Gefahr, in die er durch eine fehlerhafte Leistung geraten kann, können auf einen rechtlichen Bindungswillen schließen lassen.
Auch dürfe nicht außer Betracht bleiben, ob der Leistende für die Folgen eines schadenstiftenden Fehlers haftpflichtversichert sei.
All das gelte auch für solche Gefälligkeiten, in denen man noch keinen geschäftlichen Kontakt im Sinne von § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB sehen kann.

 

Urheberrechtsschutz für spirituelle Texte, die nach Behauptung ihres Verfassers auf übersinnliche Inspirationen zurückgehen sollen?

Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 13.5.2014 – 11 U 62/13 – Urheberschutz für einen spirituellen Text bestätigt, den seine Verfasserin in aktiven Wachträumen empfangen haben will. 
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall nahm die Klägerin – eine amerikanische Stiftung – den beklagten deutschen Verein wegen urheberrechtswidrigen Veröffentlichungen von Textpassagen aus dem Buch „A Course in Miracles“ auf Unterlassung in Anspruch.
Der streitbefangene Text wurde von S., einer US-amerikanischen Professorin für Psychiatrie, ab den 1960er Jahren niedergeschrieben und überarbeitet.
S. gab zu ihren Lebzeiten an, der Text sei ihr in aktiven Wachträumen von Jesus von Nazareth eingegeben und von ihr aufgezeichnet worden.
1975 stellte S. eine redaktionell überarbeitete Version fertig, die sogenannte C.-Fassung, die zum amerikanischen Copyright-Register angemeldet wurde.

Die klagende Stiftung, die sich auf die Übertragung dieser Copyright-Rechte beruft, wandte sich im vorliegenden Verfahren gegen die öffentliche Wiedergabe von Textpassagen aus der C.-Fassung im Internet durch den beklagten Verein.

Das Landgericht (LG) gab der Klage statt.

Hiergegen richtete sich die Berufung des Beklagten, mit der er geltend macht, ein Urheberrecht der Klägerin könne nicht verletzt sein, weil S. gar nicht Urheberin des Textes gewesen sei. Vielmehr habe diese selbst angegeben, dass der Text Resultat eines Diktats gewesen sei, das sie von Jesus von Nazareth empfangen habe.

Der 11. Zivilsenat des OLG Frankfurt am Main wies die Berufung des Beklagten zurück und führte zur Begründung aus:
Die klagende Stiftung könne gemäß § 97 Abs. 1 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) von dem Beklagten verlangen, dass dieser die Veröffentlichung der Texte unterlässt. S. als ihre Rechtsvorgängerin sei gesetzlich als Urheberin des streitbefangenen Textes anzusehen.
Der Ansicht des Beklagten, S. sei bei der Entstehung der Schrift lediglich die Rolle einer Gehilfin oder Schreibkraft ohne jeden individuellen persönlichen Gestaltungsspielraum zugekommen, weshalb sie nicht als Urheberin anzusehen sei, könne nicht gefolgt werden. Nach allgemein vertretener Auffassung seien jenseitige Inspirationen rechtlich uneingeschränkt ihrem menschlichen Empfänger zuzurechnen.
Für diese Auffassung spreche, dass es für die Begründung von Urheberschutz auf den tatsächlichen Schaffensvorgang – den schöpferischen Realakt – ankomme und der geistige Zustand des Werkschaffenden unerheblich sei, weshalb auch Geistesgestörte, Hypnotisierte und in Trance befindliche Personen Urheber sein könnten.
Die Behauptung, das von einem menschlichen Schöpfer hervorgebrachte Werk verdanke seine Entstehung ausschließlich metaphysischen Einflüssen, stehe einer Zuordnung des Werkes zu seinem menschlichen Schöpfer und der Zubilligung von Urheberrechtsschutz nicht entgegen.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 14.05.2014 mitgeteilt.